Vereine in Not

Mitgliederschwund und fehlendes Engagement - Sport- und Musikvereine in der Region
haben große Probleme



Dem Landfrauenverein Weinsberg droht das Aus. Die Vorsitzende Helga Wörner gibt nach 26 Jahren ihr Amt ab. Eine Nachfolgerin ist nicht in Sicht. Der Posaunenchor Niederhofen hat sein Ende bereits öffentlich bekanntgegeben. Zu wenig Bläser – und jetzt ist ihm auch noch seine Vorsitzende abhanden gekommen. Vielen Vereinen, Verbänden und Gruppierungen geht es ähnlich. Sie finden keinen Nachwuchs oder keinen Vorsitzenden mehr, der sich über zwei oder mehr Jahre ehrenamtlich einbinden lassen will.

Der Schachverein Bad Rappenau hat dagegen noch einmal Glück gehabt. Auch bei ihm sah es lange Zeit schlecht aus. Dort hat Hans-Joachim Kern 33 Jahre lang die Geschicke als Erster Vorsitzender geleitet. Seit einem Jahr allerdings nur noch kommissarisch. Inzwischen ist er 66 Jahre alt und möchte Jüngeren Platz machen. Auf einen Zeitungsartikel in der Kraichgau Stimme von Mitte März hin, der die Problematik verdeutlichte, hat sich mit dem 45-jährigen Christian Holtz ein Nachfolger für dieses Amt gefunden.

Gesangsverein
ohne Dirigent und 
ohne Vorsitzenden

Der Liederkranz Ellhofen war vor drei Jahren kurz vor der Auflösung. Er stand ohne Dirigent da, ohne Vorsitzenden und ohne Stellvertreter. Es gab nur 20 Sänger und Sängerinnen, und die waren zum Großteil auch noch im fortgeschrittenen Alter. Dann fand sich doch ein Vereinschef sowie ein Chorleiter, der neuen Schwung brachte und die Sänger zu motivieren verstand. Dieser setzt gezielt auf die aktiven Älteren, die kurz vor der Rente stehen.

Inzwischen gibt es einen Tanz in den Mai, ein Sommerfest und einen Jahresausklang. Veranstaltungen, die Geld in die Kassen bringen. Allerdings profitierte der Liederkranz, der 2016 sein 140-jähriges Bestehen gefeiert hat, von der Auflösung des Liederkranzes Willsbach, dessen Sänger nach Ellhofen wechselten.

Für die frühere Vorsitzende des Landfrauenverbands Württemberg-Baden, Hannelore Wörz aus Güglingen, ist es ein gesellschaftliches Problem. „Die Menschen helfen mal hier und mal da, möchten aber nicht über einen längeren Zeitraum Verantwortung tragen."

Sportvereine haben
keine Helfer

Der TSV Nordhausen lässt 2017 den beliebten Waldenser-Cup ausfallen. Die Christbaumsammlung Anfang 2018 steht auf der Streichliste, die Kinder-Weihnachtsfeier ist gefährdet. „Es wird immer schwerer, genügend Helfer zu finden. Die Bereitschaft, sich im Verein zu engagieren, hat immens nachgelassen", kritisiert Vereinschef Dietmar Reiner. Der Bedarf an Ehrenamtlichen für die Veranstaltungen ist zum Teil riesengroß: Allein für das dreitägige Parkfest beim TSV Nordheim werden Jahr für Jahr 180 Helfer des TSV Nordhausen benötigt.

Selbst der TSV Künzelsau, mit 1400 Mitgliedern größter Verein in der Kreisstadt, hat mit Nachwuchssorgen zu kämpfen. „Im Handball mussten wir unsere restlichen Spieler nach Öhringen/Pfedelbach abgeben, damit diese weiterhin spielen können“, sagt der TSV-Vorsitzende Erwin Bergmann. Zusammen mit dem Württembergischen Handballverband versucht der Verein derzeit wieder, eine Nachwuchsgruppe aufzubauen, indem man in die Schulen geht und für den Handballsport Werbung macht. Im Geräteturnen besteht seit 30 Jahren eine Kooperation mit der KTV Hohenlohe. Das gleiche Konzept besteht im Kochertal für die Leichtathletik.

In großen Vereine reicht
das Ehrenamt nicht mehr aus

Großvereine stehen vor einem weiteren Problem. Die Aufgaben an der Spitze lassen sich im Ehrenamt nicht mehr bewältigen. Ein Beispiel dafür ist der SV Leingarten, mit 2900 (Stand 2015) Mitgliedern und 13 Abteilungen einer der großen Clubs im Landkreis Heilbronn. Vereinschef Horst Weinmann zog vor zwei Jahren die Notbremse, schwor seine Mitglieder eindringlich auf einen hauptamtlichen Geschäftsführer ein.

Mit Erfolg: Seit einem Jahr ist Volker Schmitt im Einsatz. Weinmann: „Was er bewegt hat, hätten wir ehrenamtlich nicht hingekriegt." Er hat das Kurssystem umgestellt und den Blick auf die Fördertöpfe gerichtet. „Und er hat Erfahrung bei der Personalführung, weiß, wie wir passende Übungsleiter bekommen“, sagt Weinmann. Der Verein hat die Beitragsstruktur überarbeitet, „Karteileichen“ entfernt und die Beiträge angehoben. Zunächst sank die Mitgliederzahl auf 2600. Nun steigt sie wieder und liegt bei 2750. Obwohl der Verein weniger Mitglieder hat als früher, seien die Einnahmen um über 20 Prozent gesteigert worden.

Oft verlassen Mitglieder im Alter zwischen 30 und 55 die Vereine, weil sie beruflich stark eingebunden sind, die Vereine aber keine flexiblen Zeiten anbieten können. Hier hat sich einiges getan, obwohl der SVL weiterhin Raumprobleme hat, weil das erhoffte Bewegungszentrum noch auf Eis liegt.

Vereine müssen sich umstellen

Den Zug in die Zukunft hat die TG Böckingen bereits genommen. Bei ihr begann die Erfolgsgeschichte durch die Verschmelzung mit dem ESV Heilbronn 2012. „Wir konnten unser altes Gelände für drei Millionen Euro verkaufen und haben nun ein neues", sagt Vereinschef Herbert Tabler. Das Geld investierte die TGB in ein 4,7 Millionen Euro teures Sportzentrum, das im März 2016 eröffnet hat. Tabler: „Wir wussten, dass wir uns umstellen müssen.“ Denn die Mitgliederzahl sank in wenigen Jahren von 2800 auf 2100. Jetzt hat der Verein zwar weiterhin 2100 Mitglieder. Aber nach einem Jahr haben sich auch dem Sportpark – nach Überwindung einer sechsmonatigen Durststrecke – bereits zusätzlich 700 Mitglieder angeschlossen.

Eine erfolgreiche Umstrukturierung hat der Sozialverband Vdk hinter sich. 1950 unter dem Namen „Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands“ gegründet, hat er sich der heutigen Zeit angepasst und vertritt nun Menschen mit Behinderungen, chronisch Kranke, Senioren und Rentner sowie Kriegs-, Wehrdienst- und Zivildienstopfer. Hatte der Kreisverband Heilbronn 2012 noch 5340 Mitglieder, sind es derzeit knapp 7000.


Text: Friedhelm Römer

Bilder: dpa, Berger, Posovszky, Knobloch, Okrafka