Vor 30 Jahren:
Der HEC steigt auf 

1987 gelang erstmals der Aufstieg in Liga 2

Es ist jetzt zehn Tage her, dass die Heilbronner Falken den Klassenerhalt in der DEL 2 geschafft haben. Es ist auf den Tag genau 30 Jahre her, dass das Heilbronner Eishockey erstmals den Weg in die zweithöchste Liga Deutschlands fand. Die hieß damals noch 2. Bundesliga und die Falken firmierten noch unter dem Namen ihres Stammvereins Heilbronner EC. Damals war die ganze Region vom Eishockeyfieber erfasst. „Es herrschte Goldgräberstimmung", erinnert sich Günter Scherlinzky.

Der 74-Jährige ist Eishockey-Anhänger der ersten Stunde. Im Jahr 1981 ging er aus Neugier zum überhaupt erst zweiten Spiel auf Heilbronner Eis. Als Abteilung unter dem Dach des REV Heilbronn hatte die Eishockeymannschaft in der Saison 1981/82 den regulären Spielbetrieb in der Landesliga aufgenommen. Beim Premierenbesuch ebenfalls schon mit dabei war der damals 13-jährige Sohn Ralf. Das Vater-Sohn-Duo war sofort begeistert vom rasanten Kufensport.

 „Ich hatte als Hobbyfahrer ab und zu ein bisschen über Motorsport geschrieben, daher wurde ich gleich zum Berichterstatter erkoren. Das war alles reiner Zufall“, sagt Günter Scherlinzky. Vielmehr als der Wunsch von Seiten des Vereins war es aber der eigene Antrieb, den Heilbronnern diesen Liebe-auf-den-ersten-Blick-Sport näherzubringen. So wurden die Scherlinzkys die Berichterstatter, Eishockey-Erklärer und -missionare der Gründerzeit.


Zunächst war das Interesse an der neuen Sportart in der Stadt bei Bürgern und lokalen Medien nicht groß, schließlich handelte es sich letztlich um eine Hobbytruppe, die in der untersten Liga spielte. Doch das sollte sich schlagartig ändern.

Den ehemaligen Spieler des Kölner EC, Siegbert „Siggi“ Stotz, hatte es Jahre nach seiner aktiven Karriere als Manager der Eishalle nach Heilbronn verschlagen. Da er weiterhin engen Kontakt zu seinen alten Weggefährten pflegte und sie gerne zu sich einlud, kam die Idee auf, an den gemeinsamen Wochenenden doch ein bisschen Eishockey zu spielen. Schließlich gab es in Heilbronn ja jetzt eine Mannschaft und Stotz hatte auch das Traineramt übernommen. 

Wichtige Frage: "Kommen die Kölner?"

Und so kam es, dass plötzlich die ehemaligen Nationalspieler Wim Hospelt sowie die Brüder Detlef und Dieter Langemann im REV-Trikot die Landesliga aufrollten. „Vor jedem Spiel lautete die entscheidende Frage: Kommen die Kölner?“, erinnert sich Günter Scherlinzky. Kamen sie, war ein zweistelliger Sieg programmiert. Kamen sie nicht, weil sie wie einmal im Schneetreiben auf der Autobahn steckengeblieben waren, dann drohte eine Niederlage.

Die prominenten Neuzugänge sorgten jedenfalls dafür, dass das Interesse am Eishockey wuchs. Nicht nur die Heilbronner Stimme druckte nun regelmäßig die Spielberichte aus Scherlinzkys Feder, viele Abnehmer saßen in den bayerischen Eishockey-Hochburgen. „Wenn wir nachts von Auswärtsspielen zurückkamen, habe ich den Bericht meiner Frau diktiert, sie hat auf der Schreibmaschine getippt und die Texte am nächsten Tag in der Redaktion abgegeben“, erzählt Scherlinzky von der Familien-Presseagentur. Für die bayrischen Blätter diktierte Scherlinzky den Spielbericht auch direkt durchs Telefon an den zuständigen Redakteur. „Ich weiß noch, wie wir mal in Ingolstadt in der Eishalle verzweifelt ein Telefon gesucht haben und keins gefunden haben.“


Sohn Ralf schrieb auf den Ahnen heutiger PCs Texte für das Hallenheft. Auch Statistiken über Topscorer, Tabellen und Strafbank-Könige waren darin enthalten. „Break“ hieß die Clubzeitung zunächst, später wurde daraus das heute noch existierende „Powerplay“. „Aus Fachbüchern haben wir Eishockey-Regeln kopiert und in jeder Ausgabe einen anderen Aspekt erklärt“, sagt Ralf Scherlinzky. Die Erläuterungen reichten von der Aufteilung des Spielfelds über die Handzeichen der Referees bis zur vorgegeben Länge des Schlägers (135 Zentimeter). 

Ab 1987 berichtete er zudem für das neugegründete Radio Regional und stand sogar mit der Videokamera in den Eishallen der Republik. „Ich habe ohne Stativ gefilmt. Da hatte man nach 60 Minuten einen steifen Arm.“ Die Kiste mit den historischen Videokassetten ist leider nicht mehr auffindbar.

Hallenhefte und weiter Schätze

Trotzdem liegen jetzt stapelweise Devotionalien aus den 80er Jahren auf dem Wohnzimmertisch der Scherlinzkys. Zig Hallenhefte, dazu Eishockey-Sonderausgaben des „Neckar Express“, alte Fotos, historische Eintrittskarten und die sauber gebundenen Saison-Presseschauen. Nach vielen Jahren haben Vater und Sohn die Erinnerungsstücke mal wieder hervor gekramt. Ursprünglich wollte besonders Günter Scherlinzky gar nicht mehr über diese Zeit sprechen, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Das papierene Gedächtnis vor sich ausgebreitet, kommt ihm aber Anekdote auf Anekdote in den Sinn.

Über Grant Campbell zum Beispiel, der in der Saison 1985/86 in Heilbronn spielte. „Der war eigentlich Kanadier, aber wurde zum US-Amerikaner gemacht, weil es für die damals Sonderspielgenehmigungen gab. Auf seinem Spielerpass war damals ein Foto, auf dem er eine geliehene Uniform der US-Army trug.“ Oder die Episode zu Dave Heckler, dem Jochen Behle des Heilbronner Eishockeys. „Der war ein paarmal im Training, hat ein Spiel für den REV absolviert und ward nie wieder gesehen. Aus Spaß haben wir vor den Spielen immer gefragt: 'Wo ist eigentlich Dave Heckler?’“. 

Trainer beim Golf getroffen

Manchmal nahm der Berichterstatter direkten Einfluss auf die Vereinspolitik. „Als wir 1986 auf Trainersuche waren, traf ich als Zuschauer bei einem Golfturnier in Liebenstein zufällig Wilbert Duszenko, der gerade in Mannheim entlassen worden war, und fragte ihn, ob er nicht Lust hat nach Heilbronn zu kommen. Ich stellte dann den Kontakt zum damaligen HEC-Chef Dieter Rahmer her.“ Duszenko war der Aufstiegstrainer im Jahr 1987.

Der Aufstiegsheld:
Goalie Jürgen John hielt im entscheidenden Spiel gegen Sonthofen den letzten Penalty des Gegners. 

In den Anfangsjahren bestand nicht nur ein enger Kontakt zu den Trainern und der Vereinsführung, sondern auch zu den Spielern. „Fast alle haben hier mal auf der Couch gesessen", sagt Günter Scherlinzky und deutet auf das Ledersofa im Wohnzimmer. Den Aufstiegshelden Jürgen John beschäftigte Scherlinzky bei der Armaturenfabrik Schneider in Nordheim, bei der er selbst als Prokurist tätig war. „Das war eine Katastrophe. Freitags war er immer schon früh weg, weil ja abends gespielt wurde. Montags hat er auf der Werkbank gesessen, eine Traube Kollegen um sich herum, und hat von den Wochenendspielen erzählt.“

Mit zunehmendem Erfolg wurde das Verhältnis aber distanzierter. Aus den wilden Typen, die im Heilbronner Partyleben nichts anbrennen ließen, wurden zusehends echte Profisportler. „Das Familiäre ging verloren“, sagt Günter Scherlinzky. Die Spieler feierten nicht mehr mit den Fans, nur wenige blieben länger als eine Saison, die Identifikation mit Verein und Stadt ließ nach. „Das waren für mich wesentliche Gründe, um mich vom Eishockey zurückzuziehen“, sagt Vater Scherlinzky.

Nur mit wenigen Spielern aus der Anfangszeit besteht noch loser Kontakt. „Im Jahr 2007 habe ich mal Norbert Mundo, einen der Aufstiegshelden von 1987, am Flughafen in Las Vegas getroffen“, erinnert sich Ralf Scherlinzky an eine der seltenen Zufallsbegegnungen. Der 49-Jährige blieb noch einige Jahre Pressesprecher des 1986 gegründeten HEC, ehe er sich mit dem früheren Manager Ernst Rupp überwarf. Später übernahm er die Berichterstattung über die Eisbären Heilbronn. Bei Spielen der Heilbronner Falken waren beide seit Jahren nicht mehr.


Das entscheidende Aufstiegsspiel: Unterländer Emporkömmlinge bezwingen Traditionsclub

Es war 22.55 Uhr am 5. April 1987 als ein gellender Jubelschrei aus 2500 Kehlen die Heilbronner Eishalle endgültig in ein Tollhaus verwandelte. Goalie Jürgen John hat soeben den letzten Penalty von Sonthofens Rick Gal pariert, es gibt kein Halten mehr. „Die Heilbronner Spieler stürzen sich auf ihren Keeper, erdrücken den Matchwinner fast", schreibt die Heilbronner Stimme am 7. April. Mit 4:7 hatte der HEC das Hinspiel in Sonthofen verloren, 5:2 steht es im Rückspiel nach regulärer Spielzeit und zwei zehnminütigen Verlängerungen. Das Penaltyschießen muss entscheiden, wer in die 2. Bundesliga aufsteigt, der bayerische Traditionsverein, oder die Emporkömmlinge aus dem Unterland. Von den zehn Schützen trifft nur der Heilbronner James Münch. Sein goldener Schuss geht durch die Beine von ERC-Goalie Joachim Appel. „Der Torwart kam heraus, stoppte und bewegte sich wieder zurück. Das habe ich erkannt und voll abgezogen“, verriet Münch hinterher.