Neu in Regensburg – der Simon-Oberdorfer-Platz

Am Sonntag, den 15. Oktober 2017, wurde der Platz vor dem Velodrom feierlich in den Simon-Oberdorfer-Platz umbenannt. Der neue Name soll die Erinnerung an den jüdischen Unternehmer Simon Oberdorfer und darüber hinaus an die Opfer des Nationalsozialismus wachhalten.

Bei der Spurensuche nach Simon Oberdorfer findet man ein altes, vergilbtes Foto: Es zeigt einen noch jungen, schnauzbärtigen Mann, der sich mit seinem Fahrrrad recht entspannt für den Fotografen in Positur gestellt hat. Die Vorderseite seiner dunklen Jacke ist über und über mit Auszeichnungen behängt - was erahnen lässt, dass der junge Mann schon einige Erfolge errungen hatte in seinem Leben.

Simon Oberdorfer war in Regensburg bekannt als erfolgreicher Kunstradfahrer und später als nicht minder erfolgreicher Geschäftsmann, der eine große Leidenschaft hatte für das Aufregende und Spannende, das die Welt damals auch nach Regensburg brachte: das Fahrrad, das Automobil, das Fliegen - und das große Varieté.

Von der Kunstradbahn zum Varieté – das Velodrom

Im Jahre 1898 begann Simon Oberdorfer ein ehrgeiziges Projekt:

Im Garten seines Anwesens am Arnulfplatz - genau dort, wo jetzt der Simon-Oberdorfer-Platz ist - baute er eine Kunstradbahn, das Velodrom, aus dem schon bald ein Variété wurde, wie es Regensburg noch nicht gesehen hatte. Mit dressierten Wölfen und Elefanten, mit Kunstschützen und elektrischen Projektionsschauspielen.

Gut 30 Jahre lang war das Velodrom hinter dem Kneitinger-Mutterhaus einer der großen gesellschaftlichen Treffpunkte der Stadt, bis das Interesse nachließ und Simon Oberdorfer 1929 das Velodrom zu einem Lichtspielhaus umbaute, dem Capitol.

Dann war 1933 - und die Nationalsozialisten kamen an die Macht. Die Welt wurde eine andere. Gefängnishaft und Konzentrationslager drohte allen, die gegen die Nazis aufbegehrten: Gewerkschaftern und regimekritischen Intellektuellen, Sozialdemokraten, gemäßigten Politikern und Kirchenleuten.

Ganz besonders hatten es die Nazis auf die Menschen jüdischen Glaubens abgesehen - sie wurden zum Staatsfeind Nummer eins gemacht. Viele Regensburger Juden hatten schon in den ersten Jahren des Naziterrors unter ständig wachsendem Druck Deutschland notgedrungen verlassen – Deutschland, das ja ihr Heimatland war.

Oberdorfer's Flucht aus Deutschland

Simon Oberdorfer hielt noch aus. Er erlebte 1938 den von Nazis gelegten Brand der Regensburger Synagoge und was danach folgte: Die systematische Entrechtung, Enteignung, Misshandlung, Demütigung und Inhaftierung deutscher Juden.

Simon Oberdorfer traf notgedrungen eine Entscheidung, die er lange vor sich hergeschoben hatte: In wachsender Angst ums blanke Überleben floh er mit nahen Angehörigen aus Deutschland - und es begann eine dramatische Odyssee.

Simon Oberdorfer, seine Frau Hedwig, deren Schwester Marie Kugler und der Schwager Julius Springer stachen am am 13. Mai 1939 im Hamburger Hafen an Bord des Passagierdampfer St. Louis in See. Insgesamt 907 deutsche Juden waren an Bord. Auf Kuba erhofften sie sich die Rettung vor den Nazis.

Die Machthaber in Havanna ließen aber nur wenige Passagiere der St. Louis von Bord. Erstaunlicherweise wollte auch die Regierung der USA den deutschen Flüchtlingen nicht helfen. Erst nach verzweifelten Hilfegesuchen waren Belgien, Frankreich, Holland und England bereit, Passagiere der St. Louis aufzunehmen. Simon Oberdorfer landete mit seinen Angehörigen in Naarden bei Amsterdam.

Marie Kugler, die Schwägerin, konnte nach Los Angeles emigrieren. Das Ehepaar Oberdorfer jedoch und der Schwager Julius Springer konnten den Nazis nicht entkommen, die 1940 die Niederlande besetzt hatten: Die drei Juden aus Regensburg wurden zunächst in einem Konzentrationslager bei Westerbork festgesetzt und später nach Polen gebracht. Ende April 1943 wurden sie im Vernichtungslager Sobibor ermordet.

Heute erinnern am Velodrom und am Kneitinger-Haus zwei Gedenktafeln an Simon Oberdorfer, dessen Lebensgeschichte uns bis heute nicht loslässt. Und seit dem 15. Oktober 2017 trägt nun der Platz, an dem ein Teil dieser bewegenden Geschichte geschrieben wurde, den Namen von Simon Oberdorfer. Nicht nur zu Erinnerung an seine Geschichte, sondern zur Erinnerung an alle Opfer des Naziregimes.