Die Oberpfalz tanzt

Eine Region im Wiegeschritt

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Tango: Der melancholische Klang eines Bandoneons
Ballett: Märchenhaftes Ballett
Flamenco: Spanien in der Oberpfalz

Von Alexander Unger - Juni 2015

Zwiefache, Dreher, Landler: Die Oberpfalz tanzt gerne und sie ist offen für neues, anderes. Das rhythmische Klack-Klack von Flamenco-Schuhen gehört zur Region wie Paare, die sich zum ganz eigenen Klang eines Bandoneons über das Parkett bewegen. Square-Dancer lassen ihre Petty-Coats zu Country-Music fliegen, und der Klang von Melodien aus 1001er Nacht umschmeichelt orientalische Tänzerinnen. Die Oberpfalz tanzt. Vielfältig.

Der melancholische Klang eines Bandoneons

Tanzpaare, ineinander verschlungen, bewegen sich zur Musik durch den Gewölbesaal. Das letzte Licht des Tages fällt durch die Fenster. Jesus blickt auf die Tänzer. Szenen wie diese spielten sich zuhauf in Argentinien ab. In Hinterzimmern von Gaststätten und Clubs. Das Ausgehverbot während der Militärdiktatur in Argentinien brachte die Menschen zum Tango.

Armin und Birgit sind meilenweit entfernt vom Geburtsort des Tango Argentino. Dennoch spüren sie den fast traurigen Atem der Musik in ihrem Tanz. In Amberg treffen sie sich mit anderen Tangobegeisterten im Hinterzimmer einer Traditionsgaststätte in einer ehemaligen Brauerei. Seit rund vier Jahren seien sie dabei, berichten sie. Und können nicht davon lassen. „Wir sind über klassische Kurse zum Tanzen gekommen, haben sogar Turniererfahrung", erinnert sich Armin. Die Enge auf dem Tanzparkett, das Aneinanderrumpeln bei Foxtrott und Samba hat ihnen irgendwann die Lust am Tanz geraubt. „Das war uns einfach zu viel."

Eine Kursankündigung im Programm der Volkshochschule weckte ihre Aufmerksamkeit. „Wir hatten schon einmal eine Show gesehen. Tänzer, die sich zu Musik umgarnen, im Rhythmus des Bandoneons verführen. Das ist Sinnlichkeit pur!“ Den solange vermissten Freiraum auf dem Tanzparkett fanden Brigitte und Armin auch wieder. „Das Tanzpaar ist wie von einer Seifenblase umgeben. Niemand darf diese zum Zerplatzen bringen. Nicht selbst. Und nicht bei anderen.“ Diese scheinbare Losgelöstheit von allen anderen, die sich auf dem Tanzparkett bewegen, lässt die beiden Zeit und Raum um sich herum vergessen. Eins mit der Musik, die trägt, und dem Partner, der führt.

Freiraum gibt es für die beiden Amberger nicht nur durch den respektvollen Abstand zu anderen Tanzpaaren. „Es gibt beim Tango keine so starr definierten Schrittfolgen." Armin beschreibt den Tanz als Kommunikation zweier Menschen. „Man lenkt, führt, bietet Freiräume für Bewegungen, folgt, und fängt die Partnerin wieder ein. Nur, um sich sofort wieder von der Musik treiben zu lassen und zu entdecken, wohin sie einen geführt hat."


Die Kommunikation des Tanzpaares untereinander setzt sich auch jenseits des Parketts fort. Armin und Birgit reisen gerne. In andere Länder und in andere Städte. „Egal wo wir waren, es gibt immer einen Tangoclub.“ „Tango hat zwar anderswo einen eigenen 'Dialekt', die Basis ist aber überall identisch.“ Egal, ob Stockholm oder Prag, zwei der Reiseziele in der jüngeren Vergangenheit, Milongas – freie Tanzabende – gibt es nahezu überall. „Auch wenn man die Landessprache nicht spricht, so kommt man doch in direkten Kontakt und lernt über den Tanz die Menschen ein bisschen kennen.“

Es muss nicht gleich eine Städtereise für die beiden Amberger sein. In Nürnberg und Regensburg gibt es eine lebendige Tangoszene. Und am Chiemsee. Birgit schwärmt von der Szenerie in Oberbayern: „Im Sonnenuntergang zur Musik scheinbar ins Wasser gleiten. Gibt es ’was schöneres?“

"Im Sonnenuntergang zur Musik scheinbar ins Wasser gleiten. Gibt es 'was schöneres?"


Märchenhaftes Ballett

Marienkäfer, Schmetterling, Igel und Dornröschen: Klingt wie die Hauptfiguren in einem Märchenbuch, sind aber die Figuren in einem Ballettstudio in Amberg. Zumindest im Kinderballett. Mädchen im Alter zwischen sieben und neun Jahren sitzen im Kreis auf dem Boden. Sara Straub (23) erklärt die Haltungen für die Aufwärmübungen mit Worten, die die kleinen Ballerinas verinnerlicht haben.

„Das tut ein bisschen weh", schallt es durch das Studio als Sara fordert „Nase auf den Boden". Kein Problem für die 23-Jährige. „Deswegen üben wir das ja.“ Die kleinen Nachwuchstänzerinnen nehmen die Aufgabe, die Sara Straub gestellt, wirklich ernst. Solange es geht. Lautes Kinderkichern begleitet nahezu jede Übung. Fast jede Figur fordert scheinbar einen Kommentar. Der kommt zielsicher und fröhlich. Sich wie ein Igel am Boden zusammenzurollen, geht nicht ohne eine Schilderung der eigenen Erlebnisse mit dem echten Tier im heimischen Garten. Trotz der „Plapperei“ der Kinder verliert Sara Straub nicht die Geduld oder ihren „Stundenplan“ aus den Augen. Manchmal braucht sie ein wenig, um begonnene Sätze zu vollenden. Zu witzig war das, was den Kleinen dazu eingefallen ist. „Nach der Kobra-Schlange gibt es eine Trinkpause.“

Pause ist eigentlich das falsche Wort, für das, was die Kinder machen. Still sitzen und Pause machen geht einfach nicht. Mit ihren Trinkflaschen sprinten die Mädchen im Studio auf und ab, hüpfen, plappern wild durcheinander. Sara bereitet inzwischen den zweiten Teil der Stunde vor: Übungen an der Stange. Noch während sie die erste der beiden barrenähnlichen Geräte in die Studiomitte vor den Spiegel trägt, greifen die einen schon zu, um zu helfen. Andere haben entdeckt, dass man daran auch gut klettern kann.

„Schluss jetzt." Sara beendet die Pause und erklärt die nächsten Aufgaben. Die Figuren, die es nun zu tanzen gilt, haben nichts mehr zu tun mit einem Märchenbuch. Ab jetzt ist Ballett. Plié, Tendu. Aus den Lautsprecher klingt klassische Musik, typisch Ballett eben. Zum Viervierteltakt kommen die Anweisungen. „Hoch. Zu. Hoch. Zu. Und von vorn." Nicht alles klappt von Anfang an. Es fällt den Kleinen schwer, zwischen Konzentration und Kichern die Balance zu halte. Ein echtes Problem ist das in der Gruppe nicht. Spaß macht es den kleinen Eleven an der Stange trotzdem.

Darauf legt Sara Straub auch Wert. „Im Ballett lernt man spielerisch Disziplin." Sie hat mit drei Jahren begonnen, im Tutu zu tanzen. Seitdem ist die Ambergerin dabei geblieben. „Es geht dabei um Körperbeherrschung, Gefühl für die Musik, und natürlich um Beweglichkeit.", beschreibt Sara. „Was gibt es denn Schöneres, als zu wunderbarer Musik in die Welt des Balletts einzutauchen.“ Die Nachwuchsballerinas sehen das ebenso. Fußball statt Tanzen? „Neeee, viel zu anstrengend.“

"Was gibt es denn Schöneres, als zu wunderbarer Musik in die Welt des Balletts einzutauchen?"

Spanien in der Oberpfalz

Aus dem Haus klingt spanische Gitarrenmusik. Stakkatoartiges Tack-Tack-Tack, der Klang von Schuhen, die auf einen harten Untergrund treffen, mischt sich mit dem Gesang über Liebe und Leidenschaft unter südlicher Sonne. Beim Flamenco-Abend in Weiden verwandeln sich gelassene Oberpfälzerinnen in heißblütige Spanierinnen.

Esther Navarro gibt in der Frauengruppe den Takt vor. Madrid, Gran Canaria, München, und nun Weiden. Das Leben hat die 46-Jährige weit herumgeführt. Das Flamenco war ein steter Begleiter. Wenn auch nicht von Kindesbeinen an. Ihre Mutter animierte sie vor über 20 Jahren dazu. „Sie war in einer spanischen Tanzgruppe in München, und ich bin einfach einmal mitgegangen." Offensichtlich liege der Flamenco wohl im andalusischem Blut beschreibt Esther Navarro ihre ersten Versuche. "Wirklich gelernt habe ich das nicht. Eher mitgemacht und abgeschaut.“

„Vier, fünf, sechs, sieben. Los!“ Esther Navarro zählt die Frauen in der Gruppe ein. Nur Frauen an diesem Abend. Mit wallenden Röcken, Hochsteckfrisuren und Fächern. „Wir finden kaum Männer, die daran Gefallen finden und mittanzen“, erklärt Navarro. Der Grund scheint für sie klar zu sein. „Viele finden die Tanzbewegungen für Männer zu weibisch. Dabei stimmt das gar nicht. Es braucht Machos dafür.“ Einmal, erinnert sie sich, haben zwei Männer ihre Leidenschaft für den musikalischen Tanz mit dem Stier entdeckt. „Die waren richtig gut. Aber was ihnen geworden ist...?“


Den neun Frauen aus der Region, die sich in einem Keller nach Spanien tanzen, ist das eigentlich egal. Sie stehen in Formation zum Tanz. In einer Reihe. Der Fächer wartet wie ein Degen auf seinen Einsatz. “ Eins, vor. Zwei, links. Drei, rechts. Vier, langsam“. Die Musik erklingt, Esther ist kaum noch zu hören, noch weniger zu verstehen. Neun Frauen zwischen 29 und 65 Jahren klappen mit einem lautem „Vrrromm“ die Fächer auf, werfen den Kopf in den Nacken, stapfen auf den Boden und verschmelzen mit dem Rhythmus.

Den „Grundstock an Schritten“ hätten sie schnell verinnerlicht, erklären die Frauen einhellig. Ansonsten gebe es kein starre Abfolge von Figuren. Die Freiheit, Tanzfiguren, Schrittfolgen, Drehungen und Handbewegungen kombinieren zu können, ist der Anreiz für viele, hier mit zu machen. Mittlerweile neigt sich das Lied dem Ende. Der spanische Sänger scheint im Lied das Herz der Angebeteten zu erobern. Die Tänzerinnen klatschen mit erhobenen Händen den Rhythmus mit, lassen sich mitreißen von der Vorstellung zweier Verliebter, die sich finden. Wie ein Trommelwirbel klingt das Klatschen und das Stampfen. Die Röcke wirbeln wild. Der Musiker verstummt.

„Eins, zwei, drei. Verbeugen." Esther leitet die Schlussfigur ein. Die Tänzerinnen im Keller strahlen. Heute Abend sind sie Oberpfälzerinnen und Spanierinnen. Sie sind glücklich.

"Eins, zwei, drei. Verbeugen."




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