KHWE - Die jungen Ärzte (2)

Ausländische Ärzte im Porträt

Teil 2

"Ich will schnell Erfolge sehen!"

Valentyna Khromiuk (32) arbeitet als Assistenzärztin in der Neurologie am Klinikum Weser-Egge. Eigentlich kommt sie aus Czernowitz, einer kleinen Großstadt in der Ukraine, etwa so groß wie Paderborn, mit einer schönen historischen Altstadt und vielen Touristen. 

"In der Ukraine gibt es für Ärzte keine berufliche Perspektive: 50 Euro pro Monat ist das Durchschnittsgehalt eines Arztes. Viele leben deshalb von direkten 'Zuwendungen'. Das kann ich nicht: Menschen, die arm und verzweifelt sind, gesund zu werden, noch das Geld aus der Tasche ziehen."

Viele ukrainische Ärzte wollen deshalb ins Ausland, erzählt Valentyna. Vor allem auch nach Deutschland. Zusammen mit ihrem Mann Vladyslav Trypolskyi fasst sie nach ihrem Studium den gleichen Entschluss. 

"Meinen Mann habe ich im Studium kennengelernt. Ich habe als studentische Hilfskraft gearbeitet und musste seine Unterlagen prüfen. Im Krankenhaus treffen wir uns nicht oft, aber wenn ich ihn zufällig beim Mittagessen sehe, freue ich mich, dass meine Liebe hier ist."

Über ukrainische Ärzte-Netzwerke verbreiten sich Kontakte und Infos über potenzielle Arbeitgeber in Deutschland. So stoßen Valentyna und Vlad auf die KHWE und das Klinikum Weser-Egge - und kommen 2015 nach Höxter.

"Wir haben hier die Chance bekommen, gemeinsam anzufangen. Zuerst als Pflegepraktikanten im Bundesfreiwilligendienst. Wir haben jeder 300 Euro monatlich bekommen, konnten kostenlos wohnen und im Krankenhaus essen: Das war für uns wahnsinnig viel Geld."

Neben dem Bundesfreiwilligendienst lernen Valentyna und Vlad Deutsch, besuchen Sprachkurse in Paderborn, bis sie das Level B2 in der Tasche haben - die Voraussetzung für den Integrationskurs, den ausländische Ärzte für eine Zulassung in Deutschland brauchen. 

"Monatelang zwischen Freiwilligendienst und Sprachkurs, nur arbeiten, lernen, schlafen. Das war schon hart. Aber es hat sich gelohnt."

Nach bestandener Sprachprüfung bekommen Valentyna und Vlad das Angebot, als Assistenzärzte am Standort St. Ansgar Krankenhaus Höxter anzufangen: Vlad in der Anästhesie, Valentyna in der Neurologie.

"Ich habe in der Ukraine Medizin-Psychologie studiert und mich auf traumatisierte Soldaten spezialisiert. Aber die Neurologie liegt mir mehr, denn hier kann ich viel schneller Erfolge sehen."

Besonders mag Valentyna die Arbeit auf der Stroke Unit, einer Spezialabteilung für Schlaganfallpatienten. Akute Fälle werden hier die ersten 72 Stunden versorgt: Das ist die Zeit, in der ein hohes Risiko besteht, dass sich der Schlag wiederholt. Alle 4 bis 6 Stunden werden die Patienten untersucht, mithilfe der Monitore bleiben ihre Werte unter ständiger Kontrolle. Droht Gefahr, zum Beispiel wenn Herzrhythmusstörungen, schlagen die Geräte Alarm. 

"Ich mag es, schnell zu reagieren und Entscheidungen zu treffen. Auch die Arbeit in der Notaufnahme. Und ich mag es, zu sehen, dass es den Patienten schnell wieder besser geht."

Die Frühschicht beginnt für Valentyna um 8 Uhr mit der Frühbesprechung, bei der die Aufgabenverteilung für den Tag festgelegt wird. Danach begleitet sie den Oberarzt bei der Visite. Je nach Gesundheitszustand der Patienten müssen anschließend in einigen Fällen Ärzte aus anderen Fachgebieten beratend hinzugezogen werden. Danach nimmt Valentyna neue Patienten auf. Dazu gehört eine vollständige neurologische Untersuchung, die etwa eine Stunde pro Patient dauert. 

Valentynas Arbeitstag endet in der Regel mit dem Diktieren von Arztbriefen, die den Patienten nach ihrer Entlassung für die ambulante Weiterbehandlung mitgegeben werden.         

"Vorsicht kitzelig: Die Funktionsprüfung des Zentralen Nervensystems an den Füßen ist unsere Lieblingsuntersuchung. Humor ist für meine Arbeit ganz wichtig - im Umgang mit den Patienten und auch mit den Kollegen. Denn unsere Arbeit ist oft schwer genug. Am meisten belastet mich, wenn ganz junge Menschen sterben.

Valentyna ist glücklich, dass sie ein Team gefunden hat, in dem sie sich so wohl fühlt. Freundschaftlich sei das Verhältnis untereinander, sagt sie. Vor allem eine Kollegin aus der Pflege habe sich ihrer angenommen und ihr sehr dabei geholfen, in Deutschland anzukommen. Umgekehrt sagt ihr Chef, dass Valentyna mit ihrer Fröhlichkeit der ganzen Abteilung gut tut.

"Der Anfang war hart: Ich bin meinem Mann gefolgt und wusste nicht, ob ich das schaffen werde in einem fremden Land. Aber als wir zuletzt bei meinen Eltern in der Ukraine waren, habe ich zu Vlad gesagt: Ich freue mich, wenn wir wieder nach Hause kommen - nach Hause in Höxter."