KHWE - Die jungen Ärzte (4)

Ausländische Assistenzärzte im Porträt

Teil 4

"Gastroenterologie ist Detektivarbeit." 

Greta kommt aus Durrës, einer albanischen Großstadt an der Adria. Eine medizinische Ausbildung ist in Albanien nur an der einzigen Uniklinik in der Hauptstadt Tirana möglich, erklärt die 28-Jährige. Weil es zu wenige Stellen gibt, entscheiden sich viele Ärzte nach dem Studium für ein Leben und Arbeiten im Ausland.

"Seit ich denken kann, hat mein Papa zu mir gesagt: 
'Greta, Du wirst mal Ärztin sein.' Er wollte für mich und meine beiden Schwestern ein besseres und leichteres Leben."

Auch Greta hört von den Möglichkeiten in Deutschland, Freunde empfehlen ihr den zweimonatigen Intensivsprachkurs für Mediziner in Ostwestfalen-Lippe. Vor Ort bewirbt sie sich beim Klinikum Weser-Egge Höxter als Hospitantin in der Inneren Medizin. 

"Das war eine schlimme Zeit: keine Familie, ganz alleine und Du verstehst kein Wort. Aber ich habe immer versucht zu denken: Andere haben das auch geschafft. Und es hat mir natürlich sehr geholfen, dass ich andere Ärzte aus Albanien getroffen habe, die inzwischen hier zu meiner Familie geworden sind."

Schnell freundet sich Greta mit ihrer offenen und warmherzigen Art auch mit den Kollegen in der Klinik an.

"Von Anfang an haben mir hier alle sehr geholfen, vor allem die Assistenzärzte. Ich habe mich nie alleine gelassen gefühlt: Ich rufe an, und es kommt jemand." 

Damit Greta in Deutschland eine Zulassung als Ärztin bekommt, muss sie eine medizinische Kenntnisprüfung ablegen. Nachdem sie beim ersten Anlauf durch die Prüfung fällt, bekommt Greta auch hier Hilfe vom ganzen Team der Medizinischen Kliniken.

"Alle haben mit ihrer Unterstützung und ihrem Verständnis geholfen, dass es beim zweiten Mal geklappt hat. Ich musste in den letzten Wochen vor der Prüfung keine Dienste mehr machen und bin sehr dankbar, dass ich so viel Freiraum zum Lernen bekommen habe." 

Erst beobachten, dann üben: Auch in ihrer praktischen Ausbildung fühlt sich Greta gefördert und gefordert.

"Die Chef- und Oberärzte legen Wert darauf, uns etwas beizubringen, und fordern auch von uns ein, zu lernen."

Die Gastroenterologie gefällt Greta besonders, denn die Diagnostik gleicht dort manchmal einer Detektivarbeit: 

"Gerade im Magen-, Darmbereich sind die Symptome  nicht immer ganz eindeutig. Ich finde es spannend, da nachzuhaken und auf Ursachenforschung zu gehen. Ist die Diagnostik klar, gibt es dann viele therapeutische Maßnahmen, die den Patienten weiterhelfen."    

Spannend findet Greta auch die Intensivmedizin. Sechs Monate hat sie auf der Station schon ihren Dienst geleistet - und dort mit Chefarzt der Kardiologie, Dr. Eckhard Sorges, Notfälle versorgt.

"Ich hatte große Angst davor, aber es war eine super Zeit mit tollen Kollegen. Auf Intensiv ist es besonders wichtig, gut im Team zu arbeiten."

Reanimationen oder Luftröhrenschnitte: Auf der Intensivstation müssen unter Druck die richtigen Handgriffe sitzen. 

"Es ist ein sehr befriedigendes Gefühl, wenn man im Notfall schnelle Hilfe leisten kann." 
"Fast alle meine Patienten hier sind älter als 70 Jahre. Es hat mich sehr erstaunt, wie nett, offen und verständnisvoll sie gegenüber mir als ausländischer Ärztin sind. Anfeindungen habe ich noch nie erlebt."

Auch in den Fachbereich Onkologie der Medizinischen Kliniken hatte Greta schon Einblick: 

"Man verbringt dort eine sehr lange und intensive Zeit mit den Patienten und ihren Familien, dafür muss man sehr viel Kraft haben. Ich fand das total beeindruckend, wie freundlich und dankbar diese todkranken und schmerzgeplagten Menschen noch waren, obwohl sie allen Grund gehabt hätten, unausstehlich und sauer auf die ganze Welt zu sein."

Fünf Jahre Assistenzarztzeit hat Greta noch vor sich. Weiter will sie erstmal nicht denken. Einen Weg zurück nach Albanien gibt es für sie als Ärztin auf absehbare Zeit nicht: Zu groß sind die Unterschiede im Gesundheitssystem. In Höxter und Umgebung fühlt sie sich auf jeden Fall erstmal wohl. Statt Meer habe ich hier die Weser, lacht sie. 

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