WIND & WATT

Das Wetter war der Ideengeber  für diese Radtour

INKA LYKKA KORTH / Text / Fotos 

»Wollen wir heute noch eine kleine Radtour machen?« 

»Ja, gerne. Das gute Wetter sollten wir unbedingt ausnutzen. Allerdings ist der Wind ziemlich heftig.« 

»Ach, davon lassen wir uns nicht abhalten. Aber wohin fahren wir?« 

»Keine Ahnung. Wir machen einfach eine Rundtour. Der Weg ist das Ziel.« 

»Das sehe ich auch so. Aber so ziellos umherzufahren, ist irgendwie nicht so schön.« 

»Hm, dann müssen wir uns etwas einfallen lassen ... Ha, ich hab's! Der Wind hat mich auf eine Idee gebracht: Wir machen eine Windpark-Tour!« 

»Klar, warum nicht?! Aber zu welchem Windpark wollen wir? Wir haben doch zwei in der Nähe.« 

»Zu beiden. Wir nehmen die beiden Windparks als Wendepunkte, fahren zuerst zu dem im Süden, dann zu dem im Norden.« 

»Prima, auf geht‘s!« 

Gesagt, getan. Wir starten von Oerrel aus in Richtung Süden, fahren auf dem Radweg an der Kreisstraße 7 bis zur Heidefläche und biegen dann rechts ab in die einspurige Straße in Richtung Teichgut-Siedlung. Zwischen den Bäumen sind schon die Rotorblätter einer Windkraftanlage zu sehen. Wir treffen auf die Querstraße, die von der K 7 nach Langwedel führt. An der Kreuzung gibt es einen Rastplatz für Radwanderer, mit Tisch, Bänken und Orientierungstafel. Von dort aus haben wir nahezu den gesamten Windpark im Blick. Rasten wollen wir allerdings noch nicht, denn wir sind ja erst weniger als fünf Kilometer gefahren.

Nein, dieses Schild warnt nicht vor dem Windpark, denn dann wären die gekreuzten Rotorblätter wahrscheinlich etwas eleganter ausgefallen.

Als der Windpark errichtet wurde, empfanden wir ihn zunächst als störend. Nicht nur wegen der vielen roten Blinklichter am Nachthimmel, sondern weil Oerrel, aus der Ferne betrachtet, von dem Windpark geradezu erdrückt zu werden scheint. Wer sich dem Dorf aus Hankensbüttel oder aus Emmen nähert, könnte glauben, dass die Windräder zwischen den Häusern stehen. Doch das ist eine optische Täuschung und liegt an der Perspektive. Da es in Richtung Oerrel von Norden und Osten aus bergab geht, scheinen sich die Windräder direkt über den Dächern zu drehen. Oje, das ganze Ortsbild ist verschandelt! So dachten wir in den ersten Monaten, aber irgendwann hatten wir uns an den Anblick gewöhnt, und inzwischen sehen wir die Windkraftanlagen nicht mehr als Fremdkörper. Im Gegenteil: Vor blauem Himmel haben die weißen Masten sogar einen gewissen ästhetischen Reiz und irgendwie auch etwas Maritimes, vielleicht weil die meisten Segelboote ebenfalls weiß sind. 

Auch wenn von einem Windpark keine Abgase und keine Strahlung ausgehen, ist er doch nicht ganz emissionsfrei. Aber der Lärm, der entsteht, wenn die Rotoren die Luft durchquirlen, ist vergleichsweise harmlos und auch nur in einem kleinen Radius um die Anlagen zu hören. Wer mit dem Auto bei geschlossenen Fenster an so einem Windkraftwerk vorbeifährt, hört so gut wie nichts. Für uns als Radfahrer ist das rhythmische Rauschen jedoch nicht zu überhören. Ich fühle mich an meinen ersten (und bislang einzigen) Flug mit einem Segelflugzeug erinnert. Von wegen sanftes, lautloses Dahingleiten! Die Kommunikation mit dem Piloten war wegen der starken Windgeräusche nur schreiend möglich.

Die Warnschilder, die vor Eisfall unter den Rotoren der Windkraftanlagen warnen, müssen wir jetzt, im Frühherbst noch nicht beachten, aber im Winter sollten wir die Strecke vielleicht lieber mit Fahrradhelm auf dem Kopf fahren.

Während wir den Windpark Langwedel hinter uns lassen und uns dem namensgebenden Ort nähern, überlegen wir, wieviel Energie so ein Windpark wohl erzeugt und wie viel das im Vergleich zur Energieproduktion eines Kohle- oder Atomkraftwerkes ist. Wir müssen zu Hause unbedingt danach googeln. In Langwedel biegen wir links in die Dorfstraße ab und dann wieder rechts in die Straße Am Buschfeld, die direkt zum Ferienhausgebiet Stille Heide führt. 

Vor den Ferienhäusern fahren wir links hinunter in die Wiesen und erreichen von dort den teilweise asphaltierten Weg Zum Feerenberg, der den Nachbarort Lingwedel mit Repke verbindet. 

Von Repke fahren wir vorbei am Segelflugplatz, wo gerade – wie bestellt – ein Segelflugzeug in die Luft gezogen wird. Kurz vor Allersehl haben wir bereits unseren nördlichen Wendepunkt, den Windpark Wettendorf-Bottendorf, im Blick.

Auf dem Weg nach Allersehl kommt schon der zweite Windpark auf dieser Radtour ins Blickfeld

In Allersehl folgen wir der Straße nach Masel, wo unter den mächtigen, alten Eichen in der Ortsmitte Tisch und Bank zu einer kleinen Rast einladen. Von der Maseler Dorfstraße biegen wir in nordöstliche Richtung ab. Die einspurige Straße führt am herrlichen Maseler Wald vorbei durch den Windpark nach Wettendorf.

 Von dort strampeln wir auf der von Apfelbäumen gesäumten Kreisstraße 13 bergan nach Steimke. Etwa in der Mitte zwischen beiden Orten, an der höchsten Stelle der Straße, haben wir einen phantastischen Panoramablick in alle Himmelsrichtungen. Im Westen sehen wir den Windpark Wettendorf-Bottendorf, im Süden den Windpark Langwedel, und im Osten und im Norden sind weitere einzeln stehende Windkraftanlagen zu entdecken.

Es gibt, finden wir, bei weitem hässlichere Bauwerke als Windkraftanlagen.

Von Steimke nach Hankensbüttel nehmen wir den kleinen Radweg, der in seinem Verlauf dem alten Steimker Kirchweg entspricht. In Hankensbüttel fahren wir den kleinen Weg am Hankensbütteler Bach entlang bis ins Musental. Über den Wiesenweg und den Amtsweg gelangen wir in den Hagen. Am Ende des Waldes taucht das Kloster Isenhagen auf, und gerade läutet die Glocke der Klosterkirche zur vollen Stunde. 

Jetzt geht es auf dem schmalen Pfad zwischen Emmer Bach und Klostergarten zur Emmer Straße. In Emmen biegen wir rechts in den Wiesengrund ab und fahren dann auf der Repker Straße aus dem Ort hinaus, biegen links ab und folgen dem Verlauf des Wirtschaftswegs nach Süden bis nach Oerrel. Kurz vor dem Ort haben wir ihn wieder im Blick, den Windpark Langwedel – angestrahlt vom goldenen Licht der untergehenden Sonne. Auf dieser Tour haben wir nicht nur viele Windkraftanlagen gesehen, sondern sind auch durch neun schöne Orte gekommen und haben viel Interessantes gesehen. Als wir wieder zu Hause eintreffen, hat sich der Wind gelegt, wie es meistens gegen Abend der Fall ist. Er war ein guter Themengeber für unsere Radtour.


INFO Niedersachsen ist nicht nur das Agrarland Nummer 1 in Deutschland, sondern auch bei der Energieerzeugung aus Windkraft führend. Die Windenergie-Datenbank verzeichnet landesweit 5 280 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 7,4 Millionen Kilowatt (Stand: Juli 2015). In der Südheide sind rund 50 Windparks in Betrieb. Zwei davon haben wir im Rahmen der beschriebenen Radtour besucht. Der Windpark Langwedel besteht aus 14 Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von je 2000 Kilowatt, also insgesamt 28 Megawatt. Auf 20 Megawatt kommt der Windpark Wettendorf-Bottendorf mit seinen acht Windkraftanlagen, die jeweils eine Nennleistung von 2500 Kilowatt haben. Mit einer Leistung von einem Megawatt können theoretisch etwa 570 Haushalte versorgt werden. Da die erneuerbare Energie vom Windaufkommen abhängt, können die Werte der Energieproduktion schwanken. Es wird davon ausgegangen, dass an einem guten Standort an 2000 Stunden im Jahr mit voller Leistung Strom erzeugt werden kann. Ein modernes Windrad erzeugt somit vier bis sieben Gigawattstunden Strom im Jahr. Zum Vergleich: Ein mittleres Atomkraftwerk hat eine Nennleistung von etwa 1 400 Megawatt und produziert jährlich etwa elf Milliarden Kilowattstunden Strom für 3,5 Millionen Haushalte. Eine detaillierte Übersicht über sämtliche Windkraftanlagen in Niedersachsen, auch die, die sich noch in der Planung oder im Bau befinden, gibt der Energieatlas Niedersachsen, der im Sommer online gegangen ist. Per Mausklick können die Daten zu jeder einzelnen Windkraftanlage abgerufen werden.

Die Rundtour führt fast ausnahmslos über  asphaltierte  Straßen und Wege und  stellt keine besonderen Ansprüche an das Fahrrad und die Kondition des Radfahrers.