Gelb & Grün

Mit dem Fahrrad zu den Farben des Frühlings

INKA LYKKA KORTH / Text / Fotos 

Endlich wieder Frühling! Jetzt aber 'raus aus dem Haus, ’rauf aufs Rad und ’rein in den Farbenrausch! Unter blauem Himmel vorbei an saftig grünen Wiesen voller gelber Punkte – der Löwenzahn blüht –, und knallgelben Rapsfeldern, denen betörender Honigduft entströmt. Natürlich ist die Farbpalette des Frühlings noch vielfältiger, aber Gelb und Grün sind doch die vorherrschenden Farben dieser Jahreszeit. Am intensivsten lassen sie sich Anfang Mai erleben, und deshalb empfehlen wir, diese Radtour möglichst in dieser Zeit zu unternehmen.

Die 54 Kilometer lange Tour führt uns vom Calluna-Redaktionssitz in Oerrel aus über Hankensbüttel, Steimke, Wierstorf und Lüder nach Bad Bodenteich. Zurück geht es am Elbe-Seitenkanal entlang.

Bergetappe zum Start der Tour 

Würden wir nicht auch in Oerrel wohnen, hätten wir dort den Picknickplatz unter den Eichen am Ehrenmal für ein zweites Frühstück nutzen können. Ein Tipp vielleicht für Auswärtige. Auf den ersten Metern geht es auf der schmalen Straße in Richtung Emmen, von der wir bald nach links auf den Waldweg nach Hankensbüttel abbiegen, gleich stramm bergauf bis auf den (dem GPS zufolge) 110 Meter hohen Prachelberg – 103 Meter über Normalnull misst er laut (alter) Landkarte. Das ist für unsere Gegend schon eine beachtliche Höhe. Hier freut sich, wer mit elektrischer Unterstützung pedalieren kann. Als wir aus dem Wald herausfahren, haben wir einen weiten Blick nach Osten. In der Ferne können wir sogar den Schornstein und den Kühlturm des Heizkraftwerks Wolfsburg-West erkennen.Junker Georgs Steinkreuz

Junker Georgs Steinkreuz

Es folgt eine kräftezehrende Berg- und Talfahrt durch Hankensbüttel bis hinauf in den Nachbarort Steimke. Dort besichtigen wir das im Denkmalweg am Picknickplatz stehende Steinkreuz.

Beim Ritt zur Wallfahrtskapelle in Steimke soll der Junker Georg von Blankenburg aus Steinhorst durch einen Sturz vom Pferd tödlich verunglückt sein. Sein Vater setzte im Jahre 1244 das Steinkreuz zur Erinnerung an dieses Ereignis und stiftete außerdem die Kirche in Steinhorst. An einer Waschbetonmauer schräg gegenüber erinnert eine Tafel an den Brunnen der mittelalterlichen Wallfahrtskapelle, der angeblich heilkräftiges Wasser spendete.

Honigduft steigt uns in die Nase

Auf dem Weg zu dem schönen kleinen Ort Wierstorf versüßt uns der Honigduft von einem blühenden Rapsfeld neben der Straße die Weiterfahrt. In Wierstorf führt die Dorfstraße auf einen Hof zu, dessen Metallzaun offenbar aus der Zeit des Jugendstils stammt und dessen Farbgebung in Grün und Gelb perfekt zum Thema unserer Tour passt.

Vor dem Zaun biegen wir links ab in den Burkamp und dann rechts in den Maschkamp. Die Straße führt uns hinab in das Tal des Bottendorfer Baches, der in den Gosebach mündet, welcher die Grenze zum Landkreis Uelzen markiert.

Löwenzahnwiese im Tal des Bottendorfer Baches 


Wir überqueren den Bach und tauchen ein in das großartige und ökologisch besonders wertvolle Naturschutzgebiet Schweimker Moor und Lüderbruch, wo Kranich, Schwarzstorch und Brachvogel brüten. 

Wir sind von der vielfältigen Vegetation so begeistert, dass wir, statt gleich vorne im Wald links abzubiegen, versehentlich geradeaus weiterfahren. So treffen wir etwas weiter südlich als geplant auf die Straße von Wentorf nach Lüder. Das macht aber nichts, denn die Straße ist schmal und wenig befahren. Wir empfehlen aber, den anderen Weg zu nehmen. Dieser mündet in den schnurgeraden, größtenteils asphaltierten Hauptweg durch den Lüderbruch und ist landschaftlich reizvoller. Wenn der Weg die Straße kreuzt, einfach geradeaus weiterfahren. Für uns heißt es dort dagegen rechts abbiegen. Als wir auf die Langenbrügger Straße treffen, halten wir uns links und fahren in den Ort Lüder hinein.Der Riese von Lüder 

Der Riese von Lüder 

Lüder lohnt sich: Hier gibt es nicht nur ein rustikales Bauernhofcafé, das sich für eine Pause empfiehlt, sondern es bietet sich auch die Gelegenheit, den Riesen von Lüder zu besuchen. Dieser 34,2 Tonnen schwere Findling aus Granit wurde beim Bau des Elbe-Seitenkanals in zehn Metern Tiefe entdeckt und anlässlich des Dorfjubiläums 1000 Jahre Lüder im Jahr 2006 in die Ortsmitte versetzt.

Für das Fundament des Turms der Backsteinkirche im Hintergrund wurden ebenfalls Findlinge verwendet, allerdings viel kleinere. St. Bartholomäus, 1373 erbaut, war bis kurz vor der Reformation eine Wallfahrtskirche. Der Turm wurde allerdings erst im 17. Jahrhundert errichtet. An ihm lassen sich noch Spuren des Dreißigjährigen Krieges erkennen.

Bei den Eichen zwischen dem Riesen und der Kirche erklärt uns eine Schautafel, wie Lüder zu dem Beinamen Dorf der 1000 Eichen kam: Viele der Eichen wurden nach einem verheerenden Dorfbrand (1869) gepflanzt, um künftig Funkenflug zu verhindern.

Wer mag, macht jetzt noch einen kleinen Abstecher zum Schützenplatz, der Anfang des 20. Jahrhunderts ebenfalls mit Eichen bepflanzt wurde und sich zu einem wunderschönen Eichenhain entwickelt hat, und fährt dann noch in die Röhrser Straße, um einen Blick auf die alte Wassermühle an der Aue zu werfen. Der im Jahr 1910 anstelle des alten Mühlengebäudes errichtete, viergeschossige Backsteinbau ist ein schönes Beispiel dafür, dass Industriearchitektur nicht unbedingt kalt und abweisend wirken muss, sondern durchaus ansprechend sein kann.

Der Neubau des Mühlengebäudes war notwendig geworden, weil die Mühle auf die damals moderne Turbinentechnik umgerüstet werden sollte. Mit der Turbine hielt elektrisches Licht Einzug in dem kleinen Heidedorf. 40 Jahre lang versorgte die Turbine den Ort mit Strom. In den 1970er Jahren, nachdem Lüder an die öffentliche Stromversorgung angeschlossen worden war, wurde die Mühle stillgelegt.

Nach unserer Runde durchs Dorf wollen wir jetzt weiter. Am Ortsausgang in Richtung Bad Bodenteich biegen wir links in die Straße An der Aue ab und fahren auf der Brücke über den Bach und dann parallel zum Elbe-Seitenkanal nach Norden. Etwa auf der Hälfte der Strecke überqueren wir in Höhe der Kanalbrücke die von Reinstorf nach Bad Bodenteich führende Straße. Hinter dem Campingplatz biegen wir links ab und erreichen so die Bodenteicher Heide. Auf der Löwenbank am Schafstall gönnen wir uns eine kleine Pause.

Obwohl die Calluna noch längst nicht blüht, finden wir, dass sich der kleine Abstecher in die Heide auch jetzt im Frühling schon lohnt. Vorbei an Bienenkörben und einem Insektenhotel schieben wir die Räder durch den Heide-sand.

Am Waldrand gelangen wir auf einem Querweg zurück zur Straße, die hier in einer Rechtskurve zur Kanalbrücke und hinüber nach Häcklingen führt.

Hinter der Brücke nehmen wir den rechts abzweigenden Heideweg. Auf ihm fahren wir ein Stück durch Häcklingen und sehen dabei einige schöne alte Häuser. Der Heideweg mündet in die Lange Straße ein, die in Bad Bodenteich zur Häcklinger Straße wird. Vorbei am Waldbad und der Reithalle, wo gerade ein großes Ponyturnier ausgetragen wird, fahren wir in die Ortsmitte von Bad Bodenteich, überqueren abermals die Aue und erreichen über die Burgstraße die Burganlage.

Wo die Raubritter hausten 

Vom Burgplatz haben wir gen Osten einen Panoramablick über die Seewiesen, die wir in einer früheren Ausgabe dieses Magazins schon ausführlich vorgestellt haben. 

Noch weiter reicht der Blick vom Bergfried aus. Der aus Backstein gemauerte, wuchtige Turmbau erinnert an die Zeit der Raubritter.

1474 wurde der als en grot stratenrover berüchtigte Ludolf von Bodendike in Lüneburg geköpft. Mit ihm ging die finstere Zeit zu Ende, und die Burg, deren Geschichte bis ins 9. Jahrhundert zurückreicht (das lassen zumindest Grabungsfunde vermuten), wurde fortan als Amtssitz genutzt.


Heute befinden sich im Herrenhaus das Burgmuseum und die Kurverwaltung mit Touristinformation. Das Burggelände ist alljährlich auch Schauplatz des großen Burgspektakels mit Ritterspielen und Mittelaltermarkt (29. April bis 1. Mai 2017).

Bevor wir mit den Fahrrädern das Burggelände in Richtung Aue verlassen – am Bach entlang führt ein Weg zurück in den Ort –, nutzen wir noch eine der bereitstehenden breiten Liegebänke für ein kurzes Sonnenbad.

Weitere solcher Liegebänke stehen im Kurpark, der unsere nächste Station ist. An der zum Parksee aufgestauten Aue gibt es dort herrliche Spazierwege, einen Kiosk mit überdachten Sitzplätzen, Minigolfplatz und Tretbootverleih sowie weitere Freizeiteinrichtungen. An verschiedenen Stellen im Park laden Tische und Bänke zum Picknicken ein.


Am südlichen Ende des Parksees, in Höhe der Seepark-Klinik, fahren wir nun unter der alten Eisenbahnbrücke hindurch auf dem Radweg an der Lüderschen Straße bis zur Kanalbrücke bei Lüder, fahren aber nicht über die Brücke in den Ort hinein, sondern direkt am Elbe-Seitenkanal entlang nach Süden. Der Mittelstreifen zwischen den beiden Fahrspuren präsentiert sich uns als grüne Löwenzahnwiese.

Zwischen blühendem Löwenzahn am Kanal entlang

Um nicht nur die Kanalböschung, sondern auch die Landschaft dahinter zu sehen, wechseln wir unterwegs für ein paar Kilometer auf den parallel verlaufenden, weitgehend asphaltierten Wirtschaftsweg. Bevor die Teerstraße endet, sollte man lieber an den Kanal hinunter, denn oben beginnt jetzt eine ziemlich schlechte Wegstrecke. Wir haben es trotzdem nicht bereut, sie unter die Räder genommen zu haben, denn sonst wäre uns ein schönes Fotomotiv entgangen: die braunweiß gefleckte Kuh auf der Löwenzahnwiese.

Gut, dass sie nach draußen darf und nicht den ganzen Tag im Stall stehen muss

Kilometerfressen am Kanal 

Nach einigen weiteren Kilometern am Kanal entlang erreichen wir den Wittinger Hafen, in dem gerade Holz verladen wird.

An den Kaianlagen des Hafenbeckens entlang fahren wir bis zum riesigen Hoyer-Öltank. Dort finden wir einen kleinen Weg, der uns wieder an den Kanal leitet.

Und weiter geht es am in der Sonne glitzernden Wasser entlang. Da es windstill ist, kommen wir so zügig voran, dass wir sogar ein Binnenschiff überholen. Die Strecke am Kanal entlang ist relativ lang, aber nachdem wir auf dem ersten Teil der Tour so viele Eindrücke gesammelt haben, stört es uns nicht, jetzt kilometerweit stur geradeaus fahren zu müssen. Im Gegenteil: Wir finden, dass es durchaus etwas Meditatives hat. Noch ganz in Gedanken an das auf dieser Tour Erlebte versunken, hätten wir beinahe die Abfahrt verpasst. Kurz vor der Knesebecker Kanalbrücke, dort wo die Kiekenbruchsrönne unter dem Kanal hindurchgeführt wird, fahren wir links in den Wald hinein, kommen auf die Königsallee – an ihr entlang pflanzen die Knesebecker Schützenkönige ihre Königseichen – und strampeln die Auffahrt zur Brücke hinauf. Auf der anderen Seite geht es rasant abwärts. Vorsicht: Unten endet die Asphaltstraße, und der Weg hat einige Schlaglöcher. Wer zu schnell von der Brücke herabflitzt, läuft Gefahr zu stürzen.

Der Weg nähert sich jetzt der Ise. Direkt am Fluss lädt ein Rastplatz mit Infotafel zu einer letzten Pause ein, bevor der Endspurt beginnt.

Über die Ise durch den Emmer Leu und vorbei an der Freundschaftseiche der Schützenvereine Oerrel und Schönewörde erreichen wir bald die grüne Wiesenlandschaft am Oerreler Moor.

Zwischen der Hässelmühle und dem Ortsschild von Oerrel zweigt links der Naturlehrpfad ab. Von einem Aussichtsturm lassen sich dort die Hirsche und Wildschweine in den an das Jagdmuseum angrenzenden Freigehegen beobachten. Vom Jagdmuseum rollen wir das letzte Stück auf der Hässelmühler Straße bergab zu unserem Ausgangspunkt, dem Rastplatz unter den Eichen am Ehrenmal in Oerrel. Im Rasen blühen hier die Gänseblümchen und ergänzen dezent die Farbpalette dieser Fahrradtour. Ja, auch Blütenweiß ist eine Frühlingsfarbe.