KEIN KULT UM KOIS

Statt keimfreier Atmosphäre bieten Bianca und Henning Pasemann ihren Karpfen einen naturnahen Lebensraum ganz ohne Chemie. 

INKA LYKKA KORTH / Text / Fotos / Videos

Kult um Kois? Den können andere machen. Die Pasemanns in Schweimke sind im Umgang mit ihren großen Prachtkarpfen ganz entspannt, gehen sogar zusammen mit ihnen baden, und auch Hündin Lina darf mit den Kois plantschen. Manch ein ambitionierter Koi-Halter bekäme schon einen hysterischen Anfall, würde ein Besucher es wagen, mit der Hand ins keimfreie Becken zu fassen, ohne sie vorher desinfiziert zu haben. Dabei hat er doch schon vorbeugend allerlei Mittel gegen alle Art von Bakterien und auch gegen das Algenwachstum ins Wasser gegeben, damit dieses nicht umkippt und die kostbaren Kois leblos oben auf dem Wasser treiben. 

Die Pasemanns haben bewiesen: Es geht nicht nur ganz gut ohne Chemie, sondern sogar besser. Die Kois sind robuster, weniger anfällig für Krankheiten, und das Wasser ist glasklar und sauber. Putzmunter sind die Kois sowieso. Rund 30 schwimmen im Gartenteich, und dennoch herrscht kein Gedränge, denn mit einem Volumen von 60.000 Litern ist der Teich nicht der kleinste. Seine Größe bemisst Bianca Pasemann in Schwimmzügen: Zwölf seien es von einem Ende zum anderen.

Freundliche Begrüßung auf Koi-Art:

Wir sitzen an einem sonnigen Spätsommertag auf der Terrasse, die teilweise wie ein Steg übers Wasser reicht. »Wenn ein Fischreiher kommt, können sich die Kois unter die Terrasse flüchten«, erläutert Bianca Pasemann den Vorteil dieser Konstruktion, die Ehemann Henning ausgetüftelt hat. »Außerdem haben die Fische bei Bedarf Schatten«. Henning Pasemann war auch der Baumeister der gesamten Teichanlage, lediglich für den Aushub der bis zu 2,20 Meter tiefen Teichgrube wurde ein Kleinbagger bestellt.

Von ihrer Terrasse, die ein Stück weit in den Teich hineinragt, haben Henning und Bianca Pasemann die Kois stets im Blick. Im Vordergrund die Pflanzenkläranlage. 

Nach dem Geheimnis der guten Wasserqualität gefragt, deutet Henning Pasemann ans andere Ufer. Dort verläuft parallel zum Teich ein etwa einen halben Meter breiter Graben, in dem vor lauter Pflanzen das Wasser gar nicht mehr zu sehen ist: eine Pflanzenkläranlage. Das durch Pumpen in Verbindung mit einem Bachlauf ständig in Bewegung gehaltene Teichwasser läuft durch den begrünten Graben, in dem dicke, grüne Teichfrösche quaken – und wird dabei wie von Zauberhand gereinigt. »Das Nitrat wird durch die biologische Klärung komplett abgebaut«, hat Henning Pasemann durch Messungen festgestellt.

Die  Pflanzenkläranlage sorgt nicht nur für sauberes Teichwasser, sondern lockt auch Frösche und Libellen an.

»Als wir den Teich geplant haben«, erzählt Bianca Pasemann, »war eines von Anfang an klar: Wir wollten da auf gar keinen Fall Chemie reintun, sondern das Wasser auf natürliche Weise filtern « Und das mussten sie bislang auch noch nie. Aber was tun, wenn sich in langen, heißen Sommern doch einmal die gefürchteten Fadenalgen explosionsartig vermehren sollten? Henning Pasemann wüsste sich in diesem Fall zu helfen. Er würde anstatt der chemischen Keule Milchsäurebakterien einsetzen, damit sie den Fadenalgen den Garaus machen. Damit hat er schon einmal gute Erfahrungen gemacht.

Bianca Pasemann holt ein paar Koi-Leckerlies in Form kleiner Pellets. Kaum, dass sie sich am Teichrand hingekniet hat, sind die Kois auch schon da und betteln. Sie lassen sich streicheln, saugen an den Fingern ihrer »Brötchengeberin« und fressen ihr laut schmatzend aus der Hand. »Das hier ist Mesut«, sagt Bianca Pasemann und deutet auf einen goldorangen Koi mit silbrig schimmerndem Rücken. »Der hat Augen wie Mesut Özil.« Ob auch Koi Gerd nach einem Fußballstar benannt ist (nach Gerd Müller vielleicht?), habe ich vergessen zu fragen, allerdings passt der Name sowieso nicht, denn Gerd ist ein Weibchen, aber das stellte sich erst heraus, als sie ihren Namen schon hatte, über den sie sich bislang auch noch nie beschwert hat.

Laut schmatzend fressen die Kois Bianca Pasemann aus der Hand:

»Das ist so herrlich entspannend«, sagt Bianca Pasemann. Ja, das finde ich auch. Auch ich mag mich gar nicht losreißen vom Anblick der farbenprächtigen Kois, deren Schuppenkleider keines gleicht dem anderen – in der Sonne glitzern. Ich kann gut verstehen, dass die Pasemanns nur noch wenig Lust haben, in den Urlaub zu fahren. Einen Ort, der so schön ist wie ihre, um eine Kastanie herumgebaute Terrasse am Teich, müssten sie erst einmal suchen. Für Bianca Pasemann ist der vor zwei Jahren neu angelegte Teich daher auch »unsere beste Invesition«. Der alte Teich sei dagegen ein Tümpel gewesen – klein, zugewachsen und mit trübem Wasser. Viele Jahre hatten sich die Pasemanns damit arrangiert, dann beschlossen sie, ihn komplett neu anzulegen, und zwar mit dem Vorsatz: »Wenn schon, dann auch richtig.« Acht Wochen dauerte die Planungsphase, und der Bau selbst nahm auch noch einige Wochen in Anspruch. Dass sich die Mühe gelohnt hat, sieht jeder Besucher auf den ersten Blick.

"Der Teich war unsere beste Investition"

Wie sind die Pasemanns eigentlich zu ihren schwimmenden Haustieren gekommen? Begonnen haben sie, wie viele andere auch, mit Goldfischen, und eine Zeit lang hat Henning Pasemann Schleierschwänze gezüchtet. »Aber davon hatten wir nichts«, erzählt Bianca Pasemann. Als wieder einmal Schwiegervaters Geburtstag bevorstand, wurde nach einer Geschenkidee gesucht. Wie wäre es mit einem Koi? Das war vor 16 Jahren. Im folgenden Jahr gab es wieder einen Koi zum Geburtstag und so weiter – »und dabei wurden wir jedes Mal ein bisschen mehr infiziert«. Mittlerweile kümmert sich Pasemann senior überwiegend um seine Hühner, während Sohn und Schwiegertochter seine inzwischen 16 Jahre alten Kois so gut wie adoptiert haben. Die Fische haben sich so stark vermehrt, dass die Pasemanns gar nicht alle selbst behalten können, sondern sie verkaufen müssen. Aus den Fischeiern, die sie vor zwei Jahren erstmals aus dem Teich abgefischt und in ein Becken gegeben hatten, haben sich wider Erwarten so viele Kois entwickelt, dass es Jahre dauern wird, bis sie alle verkauft sind. Professionell in die Koi-Zucht einsteigen wollen die Pasemanns allerdings nicht.

In insgesamt sechs Becken unterm Schauer tummelt sich, nach Größe sortiert, die Nachzucht.

Unter dem Schauer des Stallgebäudes auf dem ehemaligen Bauernhof stehen sechs große Becken nebeneinander aufgereiht, in denen, sortiert nach Größe, Hunderte von Kois aus eigener Nachzucht schwimmen. Bis in die Niederlande ist Henning Pasemann gefahren, um die Spezialbecken für die Fischaufzucht zu besorgen. Ihre Winterruhe halten die Jungfische in einem »Winterteich « mit ausreichender Wassertiefe. Einige der Käufer, die auf den Hof kamen, hätten am liebsten auch gleich die großen Kois – Mesut, Gerd und ihre Gefährten – mitgenommen, aber die sind tabu. Von denen würden sich die Pasemanns auch für viel Geld nicht trennen, schließlich sind es ihre Haustiere und Freunde, und seine Freunde verkauft man nicht.

Für die Jungfische wird eine neue Heimat gesucht. Von ihren Kois im Teich würde sich Bianca Pasemann hingegen nicht trennen. 

INFO Koi ist japanisch und bedeutet Karpfen. Die farbenprächtigen Zuchtformen der Wildkarpfen wurden früher in Japan von Adeligen als Statussymbole gehalten. In Abgrenzung zu den importierten »Japan-Kois« werden die hierzulande gezüchteten Kois als »Euro- Kois« bezeichnet. Die Pasemanns (Telefon 01 51/12 77 28 35) nennen ihre Kois »Pasi-Kois«. Kois haben eine Lebenserwartung von bis zu 60 Jahren und erreichen ein Gewicht von bis zu 24 Kilogramm bei einer Körperlänge von bis zu einem Meter. Es sind gesellige Fische, die nicht einzeln gehalten werden sollten. Der Platzbedarf je Koi sollte mit mindestens einem bis drei Kubikmetern kalkuliert werden.

... und dann geht Lina im Koiteich baden: