Feldberegnung für die Forschung

Die Ostfalia in Suderburg macht den Wald zum Wasserspeicher

CHRISTINE KOHNKE-LÖBERT / Text / Fotos 

Ein bisschen futuristisch wirkt das Ganze schon: Mitten in der Feldflur zwischen Suderburg und Hamerstorf taucht am alten Schulweg am Rande des Ackers ganz unvermutet eine dreiteilige Solarananlage auf. Daneben summen an einem Metallpfahl merkwürdige weiße Gerätschaften, die entfernt an die alten Keramik-Isolatoren aus der Anfangszeit der Elektrifizierung erinnern. Gleich daneben gibt es ein kleines abgezäuntes Areal. Doch beim neugierigen Hineinlinsen wird man enttäuscht. Lediglich ein metallisch schimmernder Kolben, auf eine achteckige Platte montiert, ragt aus der Erde. Und dafür jetzt der große Maschendrahtzaun?

Hightech auf der
grünen Wiese

Ein paar Schritte weiter findet sich die Erklärung: Es handelt sich um eine Versuchsanlage, die die Ostfalia-Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Campus Suderburg, auf den Versuchsflächen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen errichtet hat. Hier finden Versuche zur Beregnung und Messungen zum Wasserhaushalt von Böden statt. »Das ist unsere Lysimeterstation«, erläutert Prof. Dr. Andreas Teichert, der seit vier Jahren an der Ostfalia Landwirtschaftlichen Wasserbau und Bodenkunde unterrichtet.

Messungen zu Versickerungsraten und Verdunstung sollen Aufschluss geben, wie sich der Grundwasserspiegel entwickelt und welche Auswirkungen menschliches Handeln, so die Feldberegnung aus dem Grundwasser, und Klimaschwankungen darauf haben. Proben geben zudem Auskunft über die Zusammensetzung des Sickerwassers. Ergebnisse dazu liegen noch nicht vor, sie sind künftigen Projekten, Master- und Bachelorarbeiten vorbehalten. »Unsere Grundwasserressourcen sind begrenzt, und wir haben die Aufgabe, herauszufinden, wie wir damit in Zukunft umgehen können«, fasst es Andreas Teichert zusammen.

Das Problem ist im Landkreis Uelzen von besonderer Bedeutung, denn die herkömmliche Landwirtschaft wäre ohne zusätzliche Beregnung kaum möglich. Die Sandböden der Heide, ein Erbe der Eiszeiten, sind keine guten Wasserspeicher. Wo wieviel beregnet werden muss, das hat die Landwirtschaftskammer in den Jahren 2006 bis 2014 gemessen und damit eine Grundlage geschaffen, die bei der Optimierung der Beregnungsmenge helfen soll. »Jeder Kubikmeter zählt«, so Teichert. Geprüft wurden verschiedene Bewässerungsmengen und Strategien bei Kartoffeln, Weizen, Zuckerrüben, Mais, Raps und Gerste. Gemessen und verglichen wurden die Erträge ohne, bei reduzierter und optimaler Beregnung. Wobei optimal für die gewohnten Mengen steht, denn die optimale Dosis soll ja gerade herausgefunden werden. Eines ist klar: Alle Pflanzen wachsen mit zusätzlichem Wasser besser. Bei Gerste, Weizen, Mais und Kartoffeln machten sich Reduzierungen der Wassermenge deutlich bemerkbar, bei der Zuckerrübe fielen die Verluste dagegen gering aus. Und der Raps wuchs sogar besser.

Prof. Dr. Andreas Teichert und  Dipl.-Ing Marianne Hamama gucken im Ostfalia-Labor in Suderburg in die Röhre(n).
Wie lässt sich der Waldboden als Wasserspeicher nutzen?
Versuchsanordnung im Ostfalia-Labor.

Doch nicht nur die Beregnungsmengen interessieren die Wissenschaftler, sondern auch die Auswirkungen von Klimaveränderungen. »Es gibt eine Reihe von Projekten in der Region, die Möglichkeiten zur Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen aufzeigen sollen«, erläutert der Suderburger Professor. So läuft derzeit in Bankewitz bei Rosche ein Projekt, bei dem Klarwasser genutzt wird, um den Grundwasserkörper aufzufüllen. »In vielen Regionen der Erde wird geklärtes Wasser für die Landwirtschaft eingesetzt, weil es gar nicht so große Grundwasserreserven gibt wie bei uns«, weiß Andreas Teichert. Hier in der Heide ist das Thema neu. In Bankewitz wird beispielsweise ausprobiert, was passiert, wenn gereinigtes Wasser der dortigen Kläranlage in den Waldboden eingebracht wird. Dazu hat der Kreisverband der Wasser- und Bodenverbände Uelzen extra eine Leitung ins benachbarte Waldgebiet auf dem Drawehn gelegt und eine Filterstation aufgebaut – ein Pilotprojekt. »Ziel ist es, das Wasser aus der Kläranlage, das bislang über die Wipperau und die Ilmenau in die Elbe und schließlich in die Nordsee abgeleitet wird, in der Region zu halten und den Grundwasserkörper mit diesem Wasser anzureichern«, so Teichert. Ein neues Pumpwerk auf dem Gelände der Kläranlage fördert zwischen 40 und 50 Kubikmeter Wasser in der Stunde in das rund 30 Meter höher gelegene Versickerungsgebiet, wo es per Tropfbewässerung ausgebracht wird. Um die Waldflächen nicht zu übernässen, werden die Wasserspender in dem rund 37 Hektar großen Gebiet wechselnd beschickt. Ein Problem hat sich schnell abgezeichnet: Das Wasser versickert in den leichten Sandböden tunnelartig und sehr schnell, deshalb soll künftig probiert werden, das Wasser fein zu versprühen, so dass es länger oberflächennah verbleibt. Geprüft werden soll außerdem, welche Inhaltsstoffe möglicherweise in den Grundwasserkörper gelangen können. Stickstoff und Phosphor gehören dazu, aber eventuell auch Medikamentenrückstände. Bislang gibt es noch kaum Erkenntnisse, wie diese die Zusammensetzung des Grundwassers langfristig beeinflussen und welche Risiken für unsere Ökosphäre damit verbunden sind. Deshalb wird in verschiedenen Tiefen Wasser entnommen und auf seine Bestandteile überprüft – ein sogenanntes Monitoring, welches langfristig angelegt ist, da die Befunde sehr unterschiedlich ausfallen. Hat es viel geregnet, ist die Zusammensetzung des Wassers ganz anders als bei Trockenheit.

Ken steht auf dem Trockenen

Soll er jetzt springen oder lieber doch nicht? Ken sollte es bleiben lassen, denn das Hardau-Modell im Labor der Ostfalia liegt derzeit trocken. Bei Bedarf wird es geflutet, und dann können Messungen zur Fließgeschwindigkeit des Wassers und deren Auswirkungen vorgenommen werden.

Um all diese Projekte realisieren zu können, musste die Ostfalia zunächst Voraussetzungen schaffen. So wurden in den vergangenen Jahren die Kapazitäten der Labore umfassend ausgeweitet und Netzwerke aufgebaut. »Dank einer Förderung aus dem Europäischen Fond für Regionale Entwicklung (EFRE) konnten wir unsere Ausstattung für Analyse und Versuchsreihen sehr erweitern«, freut sich Marianne Hamama, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ostfalia. Erst kürzlich hat die Suderburger Hochschule den Zuschlag für ein weiteres Forschungsprojekt erhalten, das gemeinsam mit Partnern aus der Landwirtschaft, der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, dem Thünen-Institut in Braunschweig und der Uni Göttingen gestartet werden soll. Hier wird es um die Möglichkeit einer sensorgesteuerten Bewässerung der Kartoffel gehen. Klingt spannend. »Das hätten wir ohne die entsprechende Forschungsausstattung und unsere modernen Labore nicht geschafft.« Wie war das jetzt mit dem futuristischen ersten Eindruck? Irgendwie hat sich beim Zuhören das Gefühl eingeschlichen, dass wir längst in der Zukunft angekommen sind. Vielleicht werden solche Anlagen wie die zwischen Hamerstorf und Suderburg künftig ganz normal zu unserem Landschaftsbild gehören und niemanden mehr wundern.