DES WANDERERS LOHN ...


... ist nicht etwa die anschließende Einkehr ins Café oder Gasthaus, sondern die Wanderung selbst, zumal wenn sie durch einen Wald führt, der den verheißungsvollen Namen »Der Lohn« trägt – zu Recht, wie sich unterwegs bald herausstellt.

INKA LYKKA KORTH / Text und Fotos 

Puh, ist das heiß heute! 27 Grad zeigt das Thermometer schon jetzt am Vormittag. In wenigen Stunden wird sehr wahrscheinlich die 30-Grad-Marke erreicht sein. Kein guter Tag zum Wandern, es sei denn, man will für eine Wüstenexpedition trainieren. Das wollen wir nicht – und machen uns dennoch auf den Weg. Wandern lässt es sich doch bei jedem Wetter, es kommt nur darauf an, wo.

Wir werden heute ganz bestimmt nicht unter sengender Sonne durch offene Wiesenlandschaft streifen, und auch die für die Südheide so typischen Fichtenforste und Kiefernkulturen lassen wir lieber links liegen, denn diese heizen sich bei anhaltender Trockenheit so stark auf, dass akute Waldbrandgefahr besteht.

Beschirmt vom Blätterdach der Buchen 

Nein, ein Laub- oder zumindest ein Mischwald soll es sein, wo das gleißende Licht durch das grüne Blätterdach von Buchen und anderen Laubbäumen gefiltert wird und wo es selbst bei hochsommerlichen Temperaturen noch angenehm kühl ist. Der perfekte Wald dafür liegt auf einer Anhöhe an der südlichen Stadtgrenze von Bad Bevensen und hat einen verheißungsvollen Namen: Der Lohn. Und diesem Namen wird der 254 Hektar große, als Naturschutzgebiet ausgewiesene Wald, soviel darf schon verraten werden, durchaus gerecht. Der Wald belohnt uns, die beiden Wanderinnen, mit einer Fülle an Bildern, die Balsam für die Seele sind.

Blick von Tätendorf-Eppensen auf das Waldgebiet Der Lohn

Nicht weniger vielversprechend als der Name klingt die Beschreibung des Waldes im Verzeichnis der niedersächsischen Naturschutzgebiete: 

»Der Lohn ist ein großräumiger naturnaher, struktur-, alt- und totholzreicher Laubwald auf mäßig trockenen bis frischen, basenreichen (Sandlöss über Geschiebemergel), historisch alten Waldstandorten. Es überwiegen Flattergras- und Waldmeisterbuchenwälder, kleinflächig sind Eichenmischwälder eingestreut. Ein nährstoffreiches Stillgewässer mit flachem Ufer und einem breiten Saum aus Seggen- und Binsenried bietet Lebensraum für den Kammmolch.« 

Die Beschreibung könnte noch um einen Hinweis auf das profilierte Gelände ergänzt werden. Dieses macht den ohnehin schon vielfältigen und artenreichen Wald für Wanderer noch interessanter.

Zufahrten zum Wald gibt es mehrere. Wir entscheiden uns für die südliche. Im Doppeldorf Tätendorf-Eppensen, das für seine Obstscheune mit Café bekannt ist, biegen wir von der B4 ab und fahren auf der Dorfstraße und dem Eppenser Ring aus dem Ort hinaus (Tipp: Am Ortsausgang befindet sich am Spielplatz der ehemaligen Dorfschule ein Rastplatz, der eine weite Aussicht über den Wald und die angrenzende Landschaft bietet) und weiter, bis die einspurige Asphaltstraße an einer Kreuzung in einen unbefestigten Weg übergeht. Dort stellen wir das Auto ab, gehen ein Stück auf der Verlängerung der Straße ostwärts und biegen an der nächsten Abzweigung nach Norden in Richtung Wald ab.

Der Weg steigt am Waldrand bis zu einer Kuppe an, hinter der es wieder bergab geht. Unten erwartet uns ein malerisches Wiesental, durch das ein asphaltierter Feldweg zum Wald führt. Im Wald ist der Weg nicht mehr asphaltiert und schon ziemlich zugewuchert. Viele Wanderer scheinen hier nicht unterwegs zu sein.

Fussel, die die Hitze ebensowenig mag wie wir und auf der ersten Etappe der Tour lustlos hinter uns her lief, wird schlagartig munterer und zieht uns an der Flexleine weiter in den angenehm kühlen Wald hinein. Außerhalb des Waldes hörten wir keine einzige Vogelstimme, hier drinnen empfängt uns ein vielstimmiges Vogelkonzert, das nur von den auf der östlich am Wald entlang führenden Bahnlinie fahrenden Zügen gestört wird.

Hexenkraut und Storchschnabel 

Am Waldboden gibt es für uns Hobby-Botanikerinnen allerlei Spannendes zu entdecken, darunter Hexenkraut und Storchschnabel. Und vom Wegesrand grüßt der Waldmeister.

Storchschnabel


Der halb zugewachsene Weg mündet in einen der beiden Hauptwege, die den Wald durchziehen und in erstklassigem Zustand sind – offenbar mit Kies aufgeschüttet und planiert. Nach Norden hin steigt der Weg an, und wir beschließen, ihm dorthin zu folgen und den Wald auf einer Runde entgegen dem Uhrzeigersinn zu durchstreifen.

Wie schön doch über uns die hellgrünen Buchenblätter leuchten! Dort, wo es der Sonne gelingt, ihre Strahlen durchs dichte Blätterdach bis auf den Waldboden zu schicken, werden Königsfarne und moosbewachsene Baumstümpfe effektvoll beleuchtet. Allein für das Wechselspiel aus Licht und Schatten, das dem Wald etwas Märchenhaftes verleiht, hat sich der Ausflug in den Lohn gelohnt.

Licht und Schatten


Hier darf sich die Natur frei entfalten 

Am nördlichen Waldrand werfen wir kurz einen Blick auf die sich vor uns ausbreitenden Raps- und Kornfelder und Rübenäcker, über denen in der brütenden Hitze die Luft flimmert, und gehen dann in einem Bogen nach Süden, wechseln von einem Hauptweg auf den anderen und gelangen schließlich in den mit entsprechenden Schildern gekennzeichneten Naturwaldbereich. Der hier noch relativ junge Buchenbestand wird frei von menschlicher Einflussnahme seiner natürlichen Entwicklung überlassen. 

Auf den Abstecher zum Tümpel verzichten wir – wir wollen weder die Molche noch die seltenen Springfrösche stören –, und bleiben stattdessen auf dem Hauptweg, der allerdings irgendwann in einem Brennnesseldickicht zu enden scheint. Laut Karte geht der Weg weiter, und so ist es auch. Wir müssen uns allerdings den Weg durch die Brennnesseln bahnen. Gut, dass wir nicht in Shorts oder kurzen Röcken unterwegs sind. Fussel nehmen wir allerdings lieber auf den Arm und ersparen ihr so den unangenehmen Kontakt mit den Pflanzen.

Zum Glück ist nur ein kurzes Stück des Weges derart überwuchert, und lediglich beim Verlassen des Waldes haben wir noch eine kurze Passage mit kniehohem Wildwuchs zu bewältigen.

Nur eine Stunde und elf Minuten waren wir in diesem naturnahen und vielfältig strukturierten Wald unterwegs. Mit einer Länge von rund 6,6 Kilometern handelte es sich mehr um einen Waldspaziergang als um eine Wanderung, aber wer mag an so einem heißen Sommertag schon Kilometer »fressen«?! Wir fühlen uns jedenfalls nach dieser kleinen Tour erfrischt und reich beschenkt. Zurück am Auto, holen wir unsere Falträder aus dem Kofferraum und starten zu einem weiteren Streifzug. Aber das ist eine andere Geschichte.