Höfersches Haus
jetzt ganz in Rot

Frische Farbe für das fast 450 Jahre alte Baudenkmal in Gifhorn

BURKHARD OHSE / Text / Fotos 

Fast zwei Jahre wurde nun am Höferschen Haus geplant, gezimmert, gemauert, getischlert, gelötet und schließlich gemalt. Jetzt ist es fast geschafft. Das Gerüst ist entfernt, das Gebäude von seinem Korsett, das gleichzeitig ein Sichtschutz während der Sanierungsphase war, befreit. Und das Haus zeigt sich den Gifhornern und Gästen in einem anderen Gewand als vor der Sanierung. Die Traufseite zur Torstraße wurde wenige Wochen zuvor »entrüstet«, sodass die neue Bemalung bereits sichtbar wurde. Ganz in Ziegelrot, mit grauen Fenstern und hellgrauen Gauben, so herausgeputzt geht das Baudenkmal am Marktplatz in das neue Jahr.

Die Vorbeikommenden haben ihre eigene Meinung zu dem neuen Aussehen. Manchen gefällt es, manche hätten es sich anders gewünscht, manche sagen, sie müssten sich an den neuen Anstrich erst noch gewöhnen. Die Wahl der Farbigkeit war vielleicht die schwierigste Entscheidung während der Sanierung, denn die Farbe sticht zuallererst ins Auge. Während die Instandsetzungen, die Sanierungen und die statischen Ertüchtigungen eher unbemerkt bleiben und auch unstrittig waren, machten sich die Verantwortlichen über das zukünftige farbige Aussehen des Gebäudes lange Zeit Gedanken. Denn die Entscheidung sollte nicht nur nach ästhetischen Gesichtspunkten fallen, bei denen jeder seine eigenen Vorstellungen hat. Hätte es eine Umfrage unter den Gifhornern gegeben, so wären sicher etliche Vorschläge zusammengekommen. Und für welchen hätte man es sich entscheiden sollen? Vielen Bürgern gefiel auch die nicht gestrichene Variante mit lehmfarbenen Gefachen und dunklem, holzbraunem Fachwerk. Ungestrichen war für sie auch eine Option. »Doch Architektur in der Stadt trägt Kleid«, stellte die Landesdenkmalpflege frühzeitig klar. Und für die Farbentscheidung wurden statt vielfältiger Geschmäcker wissenschaftliche Erkenntnisse und die Erfahrung der Denkmalpfleger zu Rate gezogen. Landes-Restaurator Bernhard Recker war einige Male auf der Baustelle, um frühere Farbreste zu suchen und zu untersuchen. Und er wurde fündig. Rot war die älteste an den Gefachen nachgewiesene Farbe. Ob es die älteste und ursprüngliche Farbgebung im Baujahr um 1570 war, das ist nicht sicher. Eventuell könnte es auch Weiß gewesen sein, aber das ist Spekulation, meinte er. Nachweisbar ist das nicht. Rot war auch eine der ältesten Spuren auf dem Fachwerk. Und beides zugleich passt in die Bauphase. Denn Fachwerk war die weit verbreitete Bauform zu jener Zeit, Steinbauten waren erheblich teurer. Daher kam so mancher Bauherr in die Versuchung, einen Steinbau vorzutäuschen, indem er seinen Fachwerkbau monochrom, also einfarbig, bemalte. Das schräg gegenüberliegende Kavalierhaus hatte einige Jahre zuvor eine Sandsteinfassade vorgesetzt bekommen, die den Fachwerkbau verdeckt. Wer das Geld hatte, wollte es sich eben leisten. Das Höfersche Haus, an prominenter Stelle gegenüber dem damaligen Rathaus, sollte ebenfalls etwas hermachen, das lässt sich denken.

Da sieht ein monochromer Anstrich vornehm aus und simuliert zugleich eine kostbare Steinfassade. Wissenschaftliche Untersuchungen und die Didaktik, was das Gebäude fürderhin aussagen soll, greifen da hervorragend ineinander. Als Ergebnis erstrahlt das Haus nun monochrom in Ziegelrot. Das Gesamtbild mit dem gegenüberliegenden Ratsweinkeller als Eingang zur Fußgängerzone passt.

Die Fenster sollen grau gestrichen werden. Aber welcher Grauton passt am besten? Die Wahl fällt auf ein dunkles Grau.

Das Fachwerk ist ein wenig dunkler gefasst. Die Fenster heben sich in einem dunkleren Grau von der Fassade ab, und die Anfang des 19. Jahrhunderts in zwei Etappen aufgesetzte Gaube stellt mit ihrem neuen Hellgrau den Übergang zum Himmel dar. Der alte, dunkelbraune Anstrich wäre zu schwer gewesen, hätte das Gebäude »erdrückt«, so die einhellige Meinung. Der Psalm 71, der auf dem Giebel steht, ist ebenfalls in Grau hervorgehoben, und das war eine der schwierigsten Aufgaben für die Maler.

Malermeister Jan Ryschka hat viel Mühe, die feinen Minuskel des Psalms 71 nachzuzeichnen.

Malermeister Jan Ryschka, der Chef persönlich, machte sich an die Arbeit, die feinen Minuskel nachzuzeichnen. Das wurde durch das verwitterte Holz erschwert, wo die Nagekäfer besonders aktiv waren. Doch mit viel Zeit und ruhiger Hand gelang es. Und Ryschka schrieb es richtig falsch. Denn die damalige Schreibweise war eine gänzlich andere als heute. Orthografische Verbesserungen jedoch sollte es nicht geben. So steht der Psalm auf dem Giebel, wie er 1570 angebracht wurde, mit ungewohnter Rechtschreibung, zusammengesetzten Buchstaben und bisweilen nicht mehr gebräuchlichen Wörtern, aber authentisch.

Feinarbeit hatten auch Metallbaumeister Gunnar Trull und seine Leute zu leisten. Sie gaben sich viel Mühe, die beiden im vergangenen Jahrhundert eingesetzten Fenster im Erdgeschoss wie auch das Dach des Flaschenzugs im zweiten Obergeschoss, das die Rolle bedeckt, fachgerecht mit Zinkblech einzudecken. Wichtig war auch hier, dass die Konstruktionen Regenwasser vom Haus wegführen.

Die Metallbauer kümmern sich um die Fensterdächer.


Die Fenster im Erdgeschoss sind dunkelbraun gestrichen. Der Unterschied im Alter der Fenster des Gebäudes soll sichtbar bleiben. Denn die Fenster ab dem 1. Obergeschoss sind weit mehr als 150 Jahre alt, während die beiden Fenster im Erdgeschoss in den 1950er Jahren beim Bau des Kaskadenganges die dort vorhandenen drei schmaleren Fenster ersetzten. Feinarbeit mussten auch die Tischler leisten, die die Fenster ab dem 1. Obergeschoss instandsetzten.

Tischlermeister Helmut Sievert und seine Mitarbeiter bauen die instandgesetzten und frisch gestrichenen Fenster ein.

Reine Handarbeit war nötig, manch Holzstück musste ersetzt werden und auch die ein oder andere Glasscheibe. Dazu mussten die Fenster samt Rahmen ausgebaut werden und einige Wochen in den Werkstätten verbringen. Die dick aufgetragene Farbe wurde entfernt und die Oberlichter wieder gängig gemacht. Denn frühere Malergenerationen hatten die Fenster immer wieder übergestrichen. So wurden die Einreiber mit jedem Anstrich dicker. Eine Überraschung gab es daher, als die Fenster zum Haus zurückkehrten. Wurden neue Einreiber aus Messing angebracht, fragten sich die Eigentümer. Nein, so die Tischler. Das Messing kam zum Vorschein, nachdem die Farbe mühsam entfernt worden war. Dass die Fenster Messingeinreiber hatten, daran konnten sich auch die ältesten noch lebenden Bewohner des Hauses nicht erinnern. So lange war das edle Material unter weißen Farbschichten verschwunden.

Einige Einreiber sind aus Eisen, jedes der Fenster ist ein Unikat. Massenware gab es zur der Zeit, als sie um 1850 eingebaut wurden, nicht. Und für diesen Zeitpunkt des Einbaus gab es einen ziemlich guten Hinweis, wie man schon weiß: Die Münze mit dem Prägejahr 1851, die im Fensterstock des einen Giebelfensters gefunden wurde. Nun, seit dem Wiedereinbau der Fenster liegen neue Geldstücke unter und in den Fensterrahmen. Deutsche Euromünzen im Werte von 1 bis 20 Cent mit dem Prägejahr 2017 sollen einen Hinweis für spätere Generationen geben, wann die Fenster wiedereingebaut wurden. Vielleicht gibt es in der Zeit, wenn sie gefunden werden, dann wieder eine neue Währung.

Die Zimmerer, die während der gesamten Zeit fast täglich an dem Haus arbeiteten, haben gegen Ende der Sanierung noch drei dicke Brocken vor sich. Aus statischen Gründen muss das Haus mit neuen Balken gesichert werden. Zwei der drei Stellen betreffen die Abseiten des Hauses zum Giebel hin. Beide Abseiten werden geöffnet. Alternativ zum Mauerdurchbruch von innen entscheidet man sich für einen Zugang von außen. Das Dach wird dazu auf beiden Seiten abgedeckt, Notdächer schützen vor Regen und Wind. Auch wenn die Abseiten in den letzten Jahrzehnten nicht genutzt wurden, so muss dennoch in ihnen gearbeitet werden. Die Böden, noch original aus Lehmstaken bestehend, sind in einem Feld abgängig. Neue Lehmstaken ersetzen, was nicht mehr zu retten ist. Die anderen bauzeitlichen Felder können gerettet werden und müssen erhalten bleiben. Doch die größte Herausforderung sind zwei große Balken, genauer BSH, die für Stabilität sorgen sollen. BSH steht für Brettschichtholz. Viele Holzlatten werden jeweils entgegengesetzt mit Knochenleim aneinandergeklebt. »So verzieht sich dieses Bauteil nicht«, weiß Zimmerer Falko Sluschny, und der Knochenleim hält extrem gut. Eher würde das Schichtholz an anderen Stellen brechen, statt an den Klebestellen auseinander zu gehen. Mehrere Latten werden so also zu einem Balken, würde der Volksmund sagen. 16 Zentimeter breit und 40 Zentimeter hoch, bei einer Länge von 6,50 Metern, sind die beiden Leimholzbalken. Jeder von ihnen wiegt 250 Kilogramm. Zu schwer für zwei Zimmerer. Ein Kran hievt die beiden Hölzer vorsichtig in die Abseiten. Um das Holz hinein zu wuchten, musste ein Dachsparren gekappt werden, denn die beiden Balken durch möglicherweise entferntes Gefache zu schieben, wurde untersagt. Zur Stabilisierung wurden auch die Dachsparren neu gestützt. Auf stabilen Sattelhölzern liegen sie fürderhin auf, und auch die Auflieger, auf denen die Konstruktion für die Dachpfannen liegt, werden erneuert.

Mit Kran und viel Kraft wird einer der beiden 250 Kilogramm schweren Leimholzbalken über das Dach in die Abseite gewuchtet.

Doch wozu dienen die neuen Holzbauteile? Die Deckenbalken in den darunter liegende Etagen müssen gehalten werden. Die neuen Balken im zweiten Obergeschoss werden mit den darunter liegenden Deckenbalken vernadelt. So wird die Decke der ersten Etage von dem über ihr liegenden Brettschichtholz gehalten. Zwei statische Schwachstellen sind somit beseitigt. Die Sanierung gibt auch kurz den Blick auf etwas Bemerkenswertes frei. Dort sind uralte Lehmziegel, die die Abseite auf den ersten zwei Metern vom Giebel von dem dahinter liegenden Raum abgrenzen, zu sehen. Diese Wand ist weiterführend mit neuzeitlichen Mauersteinen gemauert. Doch die ersten Ziegel sehen aus wie von Hand geformt und dann auf dem offenen Feuer gebrannt.

Auf beiden Seiten des Giebels gibt es dieses kurze Mauerstück, das allerdings wieder unter einer Dämmung verschwindet. Die unerwünschte Glaswolle in den Abseiten, die diese uralte Mauer verdeckte, wird entfernt und durch natürliche Dämmung auf Hanfbasis ersetzt.

Sattelhölzer, Dachsparren, Auflieger, die Zimmerersprache hat für jedes Holzteil eines Hauses einen eigenen Namen. Und das gilt auch für die dritte statisch gefährdete Stelle. Denn die betrifft einen mächtigen Ständer an der südwestlichen Traufseite. Dort ist inzwischen die Verschalung zum Teil entfernt worden. Schon bei den Öffnungen im Innenbereich des Hauses wurde der marode Ständer entdeckt, dessen Kopf nicht mehr trägt. Jetzt sieht man von außen, dass auch die Schwelle, auf der er eigentlich aufliegen müsste, an der Stelle nicht mehr tragfähig ist. Der Ständer liegt auch nicht mehr auf. Frühere Handwerker hatten die Lücke mit Mauersteinen verfüllt. Bei diesem Anblick unsachgemäßer Ausbesserung sträubt sich einem Zimmerer alles.

Der Ständer hat die Aufgabe, den Deckenbalken und dazu das über ihm liegende Rähm tragen, aber er ist zum Pflegefall geworden. Er ist morsch, vom Pilz befallen, mit den Fingern zermahlbar. In diesem Zustand trägt er nichts mehr, sondern wird nur noch getragen.

Zur Gänze ist er marode, aber, und das rettet ihn, er weist im Innenbereich wertvolle Spuren auf. Dicke Holzdollen-Löcher und ein großes Zapfenloch werden sichtbar, nachdem man die Lehmschichten abgeschlagen hat. Diese Spuren gilt es zu erhalten. Doch müssen die ursprünglichen Aufgaben des Ständers künftig erfüllt werden. Die Lösung ist ein zweiter Ständer, der ihm an die Seite gestellt wird und der, aus neuem Altholz und noch voller Kraft, die Aufgaben eines Ständers erfüllt. Auch die untere Schwelle, auf welcher der Ständer einst stand, wird in diesem Bereich ersetzt. Die Querverbindung des Fachwerks ist somit wieder tragfähig und kann den neuen Ständer halten. Und es kann der ursprüngliche, nun geschwächte Kollege neben dem neuen starken Ständer ruhen und die Befunde zeigen. Immerhin, so stellt ein Ingenieur für Holzschäden fest, ist der Pilz nicht mehr aktiv und nicht nur deswegen ungefährlich. »Da es jetzt trocken ist, droht keine weitere Gefahr«, erklärt der Fachmann Reinhard Gasse. Die in weiten Teilen noch sehr gut erhaltene Lehmausfachung ist an einer Stelle mehr oder weniger lieblos mit allem, was es an Resten gab, gemauert, »geschrottet« worden, wie Ingenieur Kai Kröger das nennt. Ziegelreste, Zement, Mörtel, Steine und anderes wurden zusammengemengt, um die Wand vor vielen Jahren zu schließen. Das wird nun entfernt, die Maurer schließen die Wand vorschriftsmäßig mit Lehmziegeln nach alter Handwerkersitte. Um die weiteren Schäden zu sichten, wird der Putz der in den 1950er Jahren im Erdgeschoss gemauerten Außenwand entfernt. Zu Tage kommen Schiffskehlen im Rähm, die bisher nicht sichtbar waren. Auch auf dieser Traufseite, die kaum einsehbar ist, sind also Verzierungen zu finden.

Interessant sind auch die verschiedenen Farbbefunde auf den Gefachen. Zwei haben einen ziegelroten Anstrich auf einem Kalkputz. Laut Restaurator Bernhard Recker sind sie aber nicht bauzeitlich. Andere wiederum weisen einen beigefarbenen Anstrich auf dem puren Lehm auf, und wiederum andere zeigen, woher das Wort Wand seinen Ursprung hat. »Wand« kommt von »want«. Das bedeutet »winden« und bezeichnete das Gewundene und Geflochtene. 

Geflochtene Zweige sind zu sehen, mit Lehm bedeckt. Wichtig ist aber, dass die die Statik gefährdende Stelle nun beseitigt ist. Die Verschalung, die extra für die Wandreparatur entfernt wurde, kann nun wieder angebracht werden. Neues Lärchenholz soll die Traufseite vor dem Unbill des Wetters schützen. Ein ausgeklügeltes Belüftungssystem sorgt zudem dafür, dass sich keine Nässe in der Wand festsetzen kann. Vor dem Anbringen der Verschalung wird der außen befindliche Putz gesichert. Auch wenn diese Felder wieder hinter Holz verschwinden, sie sind da und werden überdauern, gesichert und stabilisiert. Künftige Generationen könnten sie wieder freilegen und weiter forschen. Diejenigen Gefache, die zu sehr gelitten haben oder unsachgemäß gemauert wurden, werden neu verschlämmt. Die Verschalung wird nun bis zum Giebel erweitert, um die Traufseite effektiv zu schützen.

Auch die Dachdecker sind gegen Ende der Sanierung noch einmal gefragt. Sie müssen die Teile des Daches wieder verschließen, die für die Sanierung geöffnet werden mussten. Dazu sind Dachrinnen und Fallrohre zu erneuern. Damit ist die Außensanierung des Hauses fast abgeschlossen. Es fehlt noch eine Außenwandsicherung an der Traufseite. Doch das ist eine Kleinigkeit, im Vergleich zu den bisherigen Aufgaben.