STOCKENTEN IN DEN STÄDTEN

Der urbanisierte Wasservogel vertilgt im Winter massenhaft Brot und Brötchen. Gesunde Ernährung? Kein Thema.

INKA LYKKA KORTH / Text / Fotos / Video 

Von wegen Landlust! Der moderne Mensch lebt lieber in der Stadt. Während die Ballungsräume weiter wachsen, verliert der ländliche Raum immer mehr Einwohner. Daran dürfte sich trotz des starken Flüchtlingszuzugs alsbald nichts ändern. Der aktuellen Prognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zufolge wird sich die Urbanisierung infolge des demografischen Wandels noch verstärken. Für die Südheide hat das Institut einen Bevölkerungsschwund im Zeitraum von 2010 bis 2030 von durchschnittlich 4,3 Prozent errechnet. Am besten steht noch der Landkreis Gifhorn da, für den ein Rückgang der Einwohnerzahl um nur 2,1 Prozent prognostiziert wird. Mehr als doppelt so viele Einwohner werden die Landkreise Celle (5,4 Prozent) und Uelzen (5,5 Prozent) einbüßen. Aber nicht nur die Menschen zieht es in die Städte, sondern auch die Tiere. Wildschweine, Waschbären, Füchse und Marder fühlen sich offensichtlich im dicht besiedelten städtischen Umfeld wohler als draußen in Wald und Flur. Im Gegensatz zu diesen Neubürgern zählen die Stockenten (Anas platyrhynchos) schon zu den alteingesessenen Stadtbewohnern.

Die Landflucht der Stockenten begann im 18. Jahrhundert.
Traumhaft schönes Plätzchen unter dem Blätterdach einer Weide im Schlosspark in Celle.

Der Prozess der Verstädterung begann bei ihnen bereits im 18. Jahrhundert, wie aus den Schriften des bedeutenden deutschen Ornithologen Johann Friedrich Naumann (1780 - 1857) hervorgeht. Ob Flüsse, Seen oder Teiche – Stockenten besiedeln in den Städten nahezu jedes Gewässer.

Ihre extreme Anpassungsfähigkeit und ihre omnivore Lebensweise – sie gelten als Allesfresser – kommen ihnen dabei zugute, hat allerdings auch einen Nachteil: Vor allem im Winter ernähren sie sich ebenso ungesund wie viele Menschen. Normalerweise ist die Nahrung der Stockente überwiegend pflanzlich. Sie bevorzugt Samen, Früchte und grüne Pflanzen, die sie im Wasser, in den Uferbereichen und an Land findet. Was für uns Menschen ein grüner Smoothie ist, sind für die Enten die große, grüne Teppiche bildende Wasserlinsen, im Volksmund auch als Entengrütze oder Entenflott bekannt. Aber auch Laich, Larven, Kaulquappen, Schnecken, Würmer und kleine Krebse verschmäht die Ente nicht. Zuweilen hat sie sogar Appetit auf kleine Fische oder Frösche. Brot und Brötchen gehören dagegen definitiv nicht zu ihrem natürlichen Nahrungsspektrum und sollten daher auch nicht an Enten verfüttert werden. Dass sie sich gierig auf die ins Wasser geworfenen Brotbrocken stürzen und sie verschlingen, bedeutet nicht, dass diese ihnen auf Dauer gut bekommen. Wer schon einmal ein trocknes Brötchen eingeweicht hat, ahnt vielleicht, dass so etwas schwer im Magen liegt. Außerdem enthalten Teigwaren aus Weißmehl zwar viele Kohlenhydrate, aber sonst kaum verwertbare Nährstoffe, dafür aber Salz und zum Teil noch weitere Zusatzstoffe und Geschmacksverstärker. Altes Brot kann zudem Schimmelsporen aufweisen.

Einer der besten Plätze, um Enten zu beobachten: das Allerufer an der Pfennigbrücke in Celle.

Na klar, Enten füttern macht Spaß und ist seit langem ein regelrechter Volkssport. Viele Menschen haben, besonders im Winter, Mitleid mit den im eiskalten Wasser paddelnden Enten und fangen schon allein bei deren Anblick an zu frieren. Sie wollen ihnen etwas Gutes tun und überfüttern sie regelrecht. Biologen und Naturschützer sehen das gar nicht gerne. Sie sorgen sich um die Gesundheit der Tiere und die Wassergüte.

Wer auf das Entenfüttern nicht verzichten möchte, sollte den Enten stattdessen – das empfiehlt zumindest der NABU – lieber Getreidekörner oder Vollkorn-Haferflocken anbieten, allerdings stets nur so viel, wie die Enten in kurzer Zeit aufnehmen können. Bei am Ufer liegen gebliebenen oder auf dem Wasser dümpelnden Futteresten besteht die Gefahr, dass sich diese mit Kot und Krankheitserregern vermischen, von der Gewässerverunreinigung ganz zu schweigen. Generell sollten Enten, wenn überhaupt, am Ufer gefüttert werden, empfiehlt der NABU. Als Kulturfolger sind sie an Menschen gewöhnt und haben meistens keine Scheu vor ihnen, besonders wenn es etwas zu fressen gibt. Ebenso unbegründet wie die Sorge, dass die Enten ohne Zufütterung im Winter verhungern könnten, ist die, dass sie auf dem Eis festfrieren. Diese Gefahr besteht allenfalls für kranke oder verletzte Enten, und das auch nur bei lange andauerndem Frost.

Dass Enten dank ihrer mit einem öligen Sekret gefetteten Deckfedern gut vor Nässe und dem dicken »Daunenmantel« darunter gut vor Kälte geschützt sind, weiß jedes Kind. Aber was ist mit den federlosen Füßen? Die sind doch nackt und schutzlos der Kälte ausgesetzt! Keine Angst, der unter dem Federkleid fast 40 Grad warme Vogelkörper wärmt durch das zirkulierende Blut auch die Füße. Das System funktioniert im Prinzip wie ein Wärmetauscher: Heiz- und Kühlschlangen – in diesem Fall Arterien und Venen – liegen in den Entenfüßen so dicht beieinander, dass zwischen beiden ein ständiger Wärmeausgleich stattfindet. Das aus dem Körper in die Füße fließende warme Blut wird auf diese Weise auf etwa sechs Grad heruntergekühlt, während gleichzeitig das in den Körper zurückfließende kalte Blut erwärmt wird. So sind die Füße stets auf einem gleichbleibend niedrigem Wärmeniveau temperiert. Das hat den Vorteil, dass über die unbefiederten Füße kaum Körperwärme verloren geht. Außerdem würde bei fast 40 Grad warmen Füßen das Eis unter ihnen schmelzen. Dennoch schwimmen sie lieber im Wasser als auf dem Eis zu stehen. Wenn die Seen und Teiche zugefroren sind, finden sie meist noch auf Bächen und Flüssen offene Wasserstellen. Je kleiner die eisfreie Fläche wird, um so mehr Enten drängen sich darin. Mit lautstarkem Geschnatter versuchen sie dann, sich die Nachbarn vom Leib zu halten. Und wenn irgendwann alles zu Eis erstarrt ist, was infolge des Klimawandels wahrscheinlich nicht mehr allzu oft passieren wird, gehen die Enten an Land, müssen dort allerdings besonders gut aufpassen, dass sie nicht von verstädterten Füchsen oder Waschbären geholt werden.

Wenn der Ratsteich in Uelzen zugefroren ist, schwimmen die Enten auf der noch länger eisfreien Ilmenau.

ENTEN GUCKEN IM WINTER

Unsere 5 Lieblingsstellen in 3 Städten:

1 Im Celler Schlosspark 

2 Im Französischen Garten in Celle 

3 An der Pfennigbrücke in Celle 

4 An Schlossgraben und Schlosssee in Gifhorn 

5 Am Ratsteich in Uelzen