ABREISSEN?
NEIN, LIEBER REPARIEREN!

Erst Baubude, dann Geräteschuppen und jetzt Bastelwerkstatt: Die wechselvolle Geschichte eines alten Schweinestalls

DR. HORST W. LÖBERT / Text 

CHRISTINE KOHNKE-LÖBERT / Fotos 

Die »Lebensdauer« von modernen Bauten scheint heute begrenzt: Nach nur wenigen Jahrzehnten erfüllen sie nicht mehr ihre Funktion, sie entsprechen modernen Vorgaben wie etwa der Energieeinsparverordnung oder Brandschutzbestimmungen nicht mehr. So werden derzeit vielerorts Bauten der 1970er Jahre abgebrochen, denn ein Neubau »rechnet sich« mehr als eine Renovierung. Bis vor 50 Jahren war vor allem das Baumaterial der wesentliche Kostenfaktor – heute sind es die Löhne. Reparieren ist »out«! Im Folgenden wird die Baugeschichte eines um 1840 errichteten Schweinestalles dargestellt, der bis heute durch Reparaturen überlebt hat.

Die Vorgeschichte 

Im Jahr 1987 habe ich das Hofgrundstück des ehemaligen Hofes Böddenstedt Nr. 17 erworben, von dem alten Haupthaus waren damals nur noch die Fundamente übrig. Von dem alten Schweinestall standen noch einige Wände, sein Dach hatte das kleine Gebäude allerdings längst eingebüßt. Nun sollte das Grundstück wieder bebaut werden, allerdings nicht mit neuen Häusern. Ein kleines Hallenhaus aus der Zeit um 1680 aus Engeln im Landkreis Diepholz stand zum Wiederaufbau bereit, darüber hinaus wurde eine Scheune aus dem Jahre 1834 aus Böddenstedt hierher versetzt.

Neben dem alten Schweinestall wurde ein kleines, im Landkreis Diepholz abgebautes Hallenhaus aus der Zeit um 1680 als Wohnhaus aufgestellt.

Der Schweinestall konnte – mit einem provisorischen Pultdach aus Wellasbest – als Bauschuppen dienen. Das Provisorium bewährte sich später als Schuppen für Gartengeräte, Mülltonnen und als Abstellraum. Im Jahr 2014 stellte sich die Frage: Was tun mit dem maroden Schuppen?

3 Schweineboxen, 2 Lokusse 

Errichtet wurde der Schweinestall um 1840, er enthielt drei aneinander gereihte »Boxen« mit jeweils eigener Außentür und war neun Meter lang und 3,5 Meter breit. An einer Schmalseite schlossen sich zwei »Lokusse« an. Im Museumsdorf Hösseringen ist ein gleichartiger, aber größerer Schweinestall aus dem Nachbarort Graulingen erhalten, hier wurden allerdings die Schweineboxen in zwei Reihen unter einem Dach vereint. 

Die großen Fundamentsteine (»Findlinge«) und ein Großteil des Fachwerks des Böddenstedter Stalles stammen von einer abgebrochenen Scheune oder einem Hofschafstall aus der Region. Im Inneren ist ein Balken mit eingekerbter Inschrift (»…CD Anno 1719…«) als Strebe wiederverwendet worden.

Die Gefache waren durch ein Geflecht aus Strohseilen zwischen den Stützen geschlossen und mit Lehm verputzt. Das Satteldach deckten handgestrichene Tonpfannen – damals ein sehr moderner Baustoff. Um 1900 war eine erste Reparatur notwendig: Die Schweine hatten von innen die meisten unteren Lehmgefache beschädigt, außen hatte das Regenwasser seine Spuren hinterlassen. Diese unteren Gefache wurden damals sorgfältig mit neuen Steinen in Kalk zugesetzt. Die oberen Gefache mit ihrem Lehmverputz waren noch intakt. Eine zweite Reparatur erfolgte um 1930/1940: Die letzten beiden unteren Gefache wurden erneuert, diesmal mit einem Sammelsurium alter Backsteine, oft nur halbe Steine. Außerdem wurden die inneren Trennwände im unteren Bereich massiv mit Backsteinen in Zement erneuert, weil die Schweine sie so stark angefressen hatten, dass selbst die eichenen Ständer schadhaft waren. Als neuer Bodenbelag nach dem ursprünglichen Kopfsteinpflaster wurde ein Estrich auf Backsteinen aufgebracht.

Als unsere Familie 1987 die Hofstelle erwarb, war das Dach des Schweinestalles eingefallen und einige Wände standen nicht mehr. Es folgte eine dritte Reparatur: die notdürftige Herrichtung als Bauschuppen. Dazu erhielt das Pultdach eine Abdeckung aus zwei alten Sparren und Wellplatten. 

Marode Substanz 

2014 stand die Frage im Raum, ob das Überbleibsel der alten Hofstelle restauriert, repariert oder abgerissen werden soll. Die Restaurierung hätte bei der maroden Substanz einen kompletten Neuabbund des Fachwerks, einen neuen Dachstuhl und neue Ausfachungen bedeutet. Dies wäre teuer geworden und es wäre wenig originale Substanz übrig geblieben. Zudem hätte das neue Satteldach an der Südwest-Seite den Lichteinfall in das daneben stehende Wohnhaus beeinträchtigt. Aber auch zu einem Abriss konnten wir uns nicht entschließen, war doch der – zugegeben sehr verrottete – Schweinestall das Einzige »in situ« befindliche Gebäude auf dem Hof.

Horst Löbert und Sohn Lukas betätigen sich als Dachdecker. Die Wellasbestplatten werden gegen Trapezbleche ausgetauscht.

Ein Kompromiss 

Außerdem wurde eine Bastelwerkstatt gebraucht! Also entschlossen wir uns zu einem Kompromiss: Wir wollen möglichst viele alte Details bewahren, aber auch das Pultdach erhalten. Daher entschieden wir uns fürs Reparieren. Das Bauvorhaben entwickelte sich zu einem Gemeinschaftsprojekt von Vater und Sohn. Reparaturen wurden sowohl mit traditionellen (Lehm) als auch modernen (Trapezbleche) Baustoffen vorgenommen. Spuren der bisher 175-jährigen Baugeschichte blieben erhalten. So wurde der unscheinbare, ehemalige Schweinestall zu einem kleinen Beispiel, wie Umbau und Recycling weiterbestehen – gegenläufig zu unserer »Wegwerfgesellschaft«.

Die Bastelwerkstatt mit dem Wohnhaus im Hintergrund im ersten Schnee dieses Winters


WEITERFÜHRENDE LITERATUR

Reimers, Günther: »Abnutzen, flicken und wiederverwenden in der Alltagskultur auf dem Lande«. Museumsdorf Hösseringen, Materialienheft 4, 1986.