Sandige Spuren der Saale-Eiszeit

Wir wandern in die
Wierener Berge

CHRISTINE KOHNKE-LÖBERT / Text / Fotos / Video

 Als das Eis der Saale-Eiszeit unsere Region überzog, brachte es jede Menge Steine und Sand aus dem Norden mit sich. Das Eis ist natürlich längst verschwunden, seine landschaftsformende Wirkung ist aber auch heute noch überall in der Region ablesbar. Dort, wo die Ausläufer der gewaltigen Eismassen zum Stehen kamen, wurden große Schuttmassen abgelagert, der sogenannte Endmoränenwall. Ein Teil dieses Walles sind die Wierener Berge, deren höchster Punkt, der Hohe Berg, 136 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Für uns im flachen Norddeutschland ist das eine ganz ordentliche Höhe. Noch um 1900 waren die Wierener Berge von Heide bedeckt, heute laden lichte Kiefernwälder zu einer Wanderung durch die Landschafts- und Naturgeschichte der Lüneburger Heide ein.

Wir starten in Nettelkamp am Fuße des Höhezuges. Zwei Kirchen prägen das Ortsbild des kleinen Heidedorfes am Bornbach. Um 1519 wurde die Kirche St. Martin auf den Resten einer alten Feldsteinkirche errichtet und in den 1870er Jahren kam die Christus-Kirche der Selbstständigen Evangelischen Kirche hinzu. Der charismatische Pfarrer Ludwig Harms, Begründer der Hermannsburger Mission, hatte auch in unserer Region viele Menschen begeistert, und es entstanden mehrere eigenständige Kirchengemeinden. So auch in Nettelkamp. Auf dem Weg von der Kirche St. Martin durch den Ort kommen wir am Elbershof vorbei, wo wir den Schweinen in ihrem Pferch einen kurzen Besuch abstatten. Diese nehmen allerdings wenig Notiz von den neugierigen Besuchern und genießen ihr Nickerchen im Stroh.

Nun geht es weiter nach Klein London – eine kleine Splittersiedlung, die nur wenige Häuser umfasst. Eine Anekdote erzählt, dass ein Soldat der Hannoverschen Dragoner nach England versetzt werden sollte. Er wollte aber lieber in der Lüneburger Heide bleiben. Deshalb quittierte er seinen Dienst und baute sich nicht weit von Nettelkamp ein Haus. Wenn ihn Leute aus Nettelkamp besuchten, sagten sie »Wir gehen nach Klein London«. In Wahrheit ist der Ort aber erst nach dem Ersten Weltkrieg entstanden und sein Name war eigentlich eine Scherzbezeichnung, die dann haften geblieben ist.

Die Heidefläche in den Wierener Bergen ist hier schon ausgeschildert. Wir machen aber noch einen kurzen Umweg durch den Schapersweg, wo sicher einmal eine Schäferei angesiedelt war, und kommen an einer baumbestandenen Pferdeweide vorüber. Nicht weit von hier hat der Bornbach seine Quelle.

Auf sandigen Wegen geht es in die Wierener Berge.

Schon kurz, nachdem wir Klein London verlassen haben, werden wir mit dem Erbe der Eiszeiten konfrontiert: Endlose Sandwege führen in die Höhe. Beim Wandern ist hier festes Schuhwerk empfohlen, auch bei gutem Wetter. Hier also kamen die Eismassen zum Stehen. Die Saale-Eiszeit dauerte etwa von 235.000 bis 125.000 Jahren vor heute, eine unvorstellbar lange Zeit der Kälte und Kargheit. Einzelne Gletscherzungen, die sich nach Süden ausdehnten, stauchten vor sich Höhenzüge aus Sand und Kies auf, so auch die Wierener Berge, die heute als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen sind. Die Böden der Wierener Berge sind arm an Nährstoffen und keine guten Wasserspeicher. Auf Grundwasser stößt man erst in etwa zehn Metern Tiefe. Die hier vorkommenden Pflanzen sind an das Überleben von Trockenzeiten angepasst. Hauptkonkurrent der Besenheide ist Gras, zum Beispiel die Drahtschmiele. Ihre rötlichen Stängel werden bis zu 60 Zentimeter hoch. Mit ihren langen Wurzeln kommt die Drahtschmiele auch an tiefere Feuchtigkeitszonen. Der Stickstoffeintrag durch modernes Düngen befördert ihren Wuchs, was zu einer starken Konkurrenz zum Heidekraut in den wenigen verbliebenen Heideflächen führt.

An lichten Stellen sind die Böden der offenen Kiefernwälder von Flechten und Moosen bedeckt. Flechten sind die Pioniere pflanzlichen Lebens und besiedeln sogar Standorte mit extremen Bedingungen. Sie gedeihen auf trockenen Mineralböden, an Baumrinden und sogar auf Steinen. Ihre silbrigen Polster auf den Böden, die große Ausmaße annehmen können, werden Rentierflechten genannt. Zu den Flechten gesellen sich in den Wierener Bergen die Moose, echte Oldtimer unter den Pflanzen. Sie stammen noch aus der Zeit, als vor etwa 300 Millionen Jahren die Pflanzen das Wasser verließen, um das Land zu erobern. Auch Moose können extreme Witterungsverhältnisse wie lange Trockenzeiten und tiefe Temperaturen gut überstehen. Hier auf den Sandböden gedeihen das Zypressen-Schlafmoos, das Rotstengelmoos und Widertonmoos. Alle drei Arten sind Anzeiger für saure Böden.

Weit verbreitet in den Wierener Bergen: Cladonia rangiferina, die Echte Rentierflechte.

Auf der Hochebene erreichen wir eine ausgedehnte Heidefläche. Sie wird vom Naturschutzbund gepflegt und ist rund zwölf Hektar groß. Heideflächen sind durch das Tun des Menschen entstanden, der die Urwälder rodete, um Viehweiden und Ackerflächen anzulegen und das Holz zu nutzen. Schon in der Bronzezeit und im Mittelalter gab es größere Heideflächen. Ihre größte Ausdehnung aber hatten die Heideflächen im 18. Jahrhundert. Auch die Wierener Berge waren früher von Heide bedeckt. Wacholder gibt es hier allerdings nicht, denn mehrere Waldbrände um 1900, 1944 und 1945 vernichteten die gesamten Bestände.

Noch blüht sie nicht, die Heide in den Wierener Bergen.

Hier oben lebt der seltene Ziegenmelker, ein Bodenbrüter, der seine Eier einfach auf dem nackten Boden ablegt. Sein merkwürdiger Name entstand, weil der Vogel früher bei Nacht die Schaf- und Ziegenherden in der Heide umschwärmte, um Insekten zu fangen. Wegen seines breiten Rachens nahm man an, dass er die Ziegen melkt. Der Ziegenmelker gehört zu den bedrohten Tierarten, sein Lebensraum ist in den vergangenen Jahren immer kleiner geworden. Über die Heideflächen der Wierener Berge zog sich früher ein Netz von Sandwegen, das die Dörfer miteinander verband. Auf den unbefestigten Wegen mussten sich die Fuhrwerke die jeweils beste Spur suchen, so dass die Wege oft sehr breit waren. Diese breiten Schneisen bilden heute einen Schutz vor der Ausbreitung von Waldbränden. Eine solche Schneise nehmen auch wir für den Rückweg, der uns in die Niederung und wieder nach Klein London und Nettelkamp führt.Wandern mit Calluna

Wandern mit Calluna

Calluna lädt zu einer geführten Rundwanderung auf den sandigen Spuren der Saale-Eiszeit mit Calluna-Redakteurin Christine Kohnke-Löbert ein. Von Nettelkamp über Klein London geht es am Sonnabend, 9. Juli, und am Sonnabend, 13. August, in die Wierener Berge. Die Wanderung beginnt jeweils um 11 Uhr, dauert etwa drei Stunden und erstreckt sich über rund neun Kilometer. Am Schluss der Wanderung findet ein Picknick im Freien statt. Die Kosten betragen 15 Euro pro Person inklusive Picknick. Über Anmeldungen freut sich Christine Kohnke-Löbert im Uelzener Calluna-Büro unter der Telefonnummer 05 81/97 39 20 71 oder der E-Mail-Adresse christine.kohnke@calluna-medien.de.