Ansteckende Lebensfreude

Im Galopp über die weitläufigen Weiden – bei Pelzers in Lüsche ist viel Platz für Pferde, Katzen, Hunde und eine kleine Kuhherde

MARION KORTH / Text 

INKA LYKKA KORTH / Fotos / Videos 

Gibt es ein Rezept zum Glücklichsein? Ja, ganz viele. Familie Pelzer hat ihres gefunden und lässt uns an einem Sommertag auf ihrem Hof in Lüsche daran teilhaben. Und so stehen wir da, im Rücken die großen Eichen und schauen ins weite Grün der Wiese am Dorfrand. Ein Lächeln im Gesicht, nicht anderes ist möglich bei diesem grandiosen Anblick. Der Weg hierhin war aufgeladen mit Vorfreude. Die Pferde können es kaum erwarten, hinaus auf ihre Weide zu stürmen, tänzelnde Hufe, zuckende Köpfe.

Jetzt geht's auf die Weide!

Friederike und Hartmut Pelzer züchten erfolgreich edle Hannoveraner.

Ein paar Meter sind es nur vom Stall um die Ecke herum, an der Wiese voller gelb blühendem Hahnenfuß vorbei, über die schmale Straße. Kein Weidetor ist zu öffnen, sondern Bohlen sind zu verschieben, Elektroseile zu entfernen, aber dann sind der Weg frei und der Moment da, in dem Friederike und Hartmut Pelzer die Halfter abstreifen. Nun gibt es kein Halten mehr, im Galopp erstürmen die Pferde, edle Hannoveraner, ihr Gelände. Mähnen, Schweife und Hufe, die in die Luft fliegen. Die Fohlen ganz dicht an den Flanken ihrer Mütter. Schnell und immer schneller, nun sind sie schon fast am anderen Ende der Weide, wo Wald das Blickfeld begrenzt.

So viel Lebensfreude ist ansteckend, deshalb ist auch die sonst so ruhige und gutmütige Rosera, ein Allgäuer Braunvieh, mit Charlotte und den Kälbchen Lotti, Friedegunde und Gustav hinterhergelaufen. Auch sie alle im Galopp, durchsetzt mit einigen Auskeilern nach hinten. Und wir Menschen stehen da am Zaun und schauen zu, bewundern die Eleganz der Pferde, das rasende Tempo, sehen diese bunt aus Kühen und Pferden zusammengewürfelte Herde, die irgendwann zur Ruhe kommt, sich grasend übers Grün schiebt. Und wir lächeln, weil es einfach so unbeschreiblich schön anzusehen ist.

Rosera, die zur Rasse Allgäuer Braunvieh gehört, ist der Liebling von Friederike Pelzer. Sie kommt vom Bodensee. Dorthin hatten die Pelzers ein Pferd aus ihrer Zucht verkauft und dabei Bekanntschaft mit den milchkaffeebraunen Kühen gemacht. So kam es, dass Rosera nach Norddeutschland umgesiedelt wurde.

Hartmut und Friederike Pelzer haben sich entschieden für den alten Hof des Urgroßvaters in Lüsche und ein Leben mit vielen Tieren, nicht nur Pferden und Kühen. Auch Hunde (Rhodesian Ridgeback) und die seltenen Bengalkatzen züchten sie. Hund und Katze vertragen sich gut. »Bei uns herrscht Burgfrieden«, sagt Hartmut Pelzer. Hund Susi, die eigentlich Husara heißt, die aber niemand so nennt, interessiert es kein bisschen, wie die Katze schnurrend um uns herumschleicht und sich streicheln lässt.

Der Urgroßvater schaut zu, wie wir da am dunklen Holztisch in der Diele sitzen. Das Gemälde zeigt ihn vor dem Hof, wie er sich und den geschossenen Hirsch stolz präsentiert.

Ein Gemälde, das an die lange Familiengeschichte von Friederike Pelzer, geborene Harms, an diesem Ort erinnert. »1981 haben wir den Hof gekauft und seitdem renoviert«, erzählt sie. Mit Pferden ist sie im Nachardorf Räderloh aufgewachsen, den Pferden ist sie treu geblieben und mit einem Pferd ist sie damals auf den Hof gezogen. Die ersten vier Boxen wurden im ehemaligen Schweinestall eingerichtet. Der Platz dort würde heute bei weitem nicht mehr ausreichen. Außer den zehn eigenen Pferden leben noch 24 Pensionspferde auf dem Hof und im Sommer auf den weitläufigen Grasflächen im nahen Postmoor.

Von so einer großen Weide wie dieser im Postmoor können die meisten Pferde nur träumen.

Jungspunde, die ihre Ausbildung noch vor sich oder gerade begonnen haben, und Gnadenbrotpferde, deren Rücken eingesunken sind. Deshalb tummeln sich trotz der vielen Gastpferde keine Reiter zwischen den Boxen. Einen Reitbetrieb wollen die Pelzers auf keinen Fall haben, denn dann, so befürchten sie, wäre es mit dem Frieden auf dem Hof wohl vorbei.

Blick auf den Hof der Pelzers in Lüsche. Links sind die Pferdeboxen zu sehen, rechts das Wohnhaus.
Die alte Laterne an der Haustür erinnert an die Zeit, als sich dort das Dorfgasthaus befand. Im Saal wird heute Heu gelagert.

Die eigenen Pferde sind alle etwas Besonderes, stammen aus eigener Zucht. Die jüngste Hoffnung ist die zweijährige Farida, die bei der Stutenschau in Wittingen jüngst Klassensiegerin geworden ist und zuvor bereits beim Deutschen Fohlenchampionat in Lienen als Vizemeisterin vom Platz ging. »Sie ist eine passionierte Züchterin«, sagt Hartmut Pelzer über seine Frau, die ohne große Worte erzählt, welche hochklassigen Tiere aus ihrem Stall stammen, die sich im Züchterverband engagiert und zusätzlich noch 25 Stunden in der Woche bei der Deutschen Saatveredlung arbeitet. Zu Hause geht die Arbeit weiter, die Tiere wollen versorgt sein. 1985 kam auf dem Hof in Lüsche das erste Fohlen zur Welt, an die 80 seien es seither bestimmt gewesen. Immer wieder sind »Stars« darunter, die als teuerste Fohlen in Luhmühlen verkauft wurden, in die USA und Equador versteigert wurden. Zu Kopf gestiegen sind Friederike Pelzer diese Erfolge nicht, und sie sind die Ausnahme. Ein besonders schönes Pferd zu züchten, das charakterlich, körperlich und von seinem Gangvermögen Spitzenklasse ist, dazu gehört »Glück und ein gewisses Feeling«, sagt sie. 98 Prozent der Pferde gehen jedoch in den Freizeitsport, das verliert Friederike Pelzer niemals aus den Augen. Ihr Zuchtkonzept lautet daher schlicht auf »rittige Pferde« zu setzen, mit denen sich gut umgehen lässt und die Freude beim Reiten machen. Viel Liebe und Leidenschaft steckt das Ehepaar in die Pferdezucht, überlässt nichts dem Zufall. Das beginnt beim Futter: »Heu und Stroh, das machen wir alles selbst.« Und endet mit der Ausbildung der Jungpferde. Nur jetzt, mit 57 Jahren, tritt Friederike Pelzer diesbezüglich kürzer. »Das muss ich mir nicht mehr geben«, sagt sie und lacht. In diesen Tagen, in denen für dieses Jahr die letzten beiden von vier Fohlen geboren werden sollen, wächst die Anspannung. Ein spezieller Gurt um den Bauch der hochträchtigen Stuten signalisiert, wenn es losgeht, schlägt übers Handy Alarm. Zusätzlich gibt es Stallkameras, deren Bilder die Pelzers zu jeder Tages- und Nachtzeit auf dem Smartphone anschauen können. Und trotz aller Vorsorge passieren Katastrophen, wie in dem einem Jahr mit sechs Totgeburten. Wenn aber nach anstrengenden Stunden ein kleines Fohlen im Stall liegt, es ihm und seiner Mutter gut geht, dann haben die Pelzers wieder das Glück zu fassen bekommen: »Dann sitzen wir auf einem Strohballen und machen eine Flasche Sekt auf.«

INFO www.zuchthof-pelzer.de

Die Fohlen stürmen mit ihren Müttern auf die Weide.