NACHRÜCKER GESUCHT

Die Uelzener Rückepferde 
Edold und Moritz gehen in 
den Ruhestand

CHRISTINE KOHNKE-LÖBERT / Text / Fotos / Videos

Liebevoll reibt Edold seinen Kopf an Moritz Fell, stupst ihn sanft an und prustet. Moritz gibt die kleinen Gesten zurück, kein Zweifel, die Beiden verstehen sich ganz ohne Worte, und sie sind die besten Freunde. Sie hatten ja auch viel Zeit, einander kennenzulernen – 17 Jahre lang waren Edold und Moritz jeden Tag zusammen, auf der Weide, im Stall und bei der Arbeit. Eine schwere Arbeit, denn Edold und Moritz sind die beiden Rückepferde, die dabei helfen, den Stadtforst von Uelzen naturnah zu bewirtschaften. Nun sind sie in die Jahre gekommen. Moritz ist mit 20 Jahren bereits in den Ruhestand gegangen, und Edold wird ihm im kommenden Jahr folgen. »Wir möchten für die Beiden einen guten Platz zum Altwerden finden. Und sie müssen auf jeden Fall zusammenbleiben«, sagt Stadtförster Thomas Göllner. Auch er hat die Beiden ins Herz geschlossen, so wie eigentlich jeder in Uelzen. »Die Arbeit mit den Pferden hat hier eine hohe Akzeptanz. Die Uelzener sind stolz auf ihre Pferde«, so der Förster.

Wie lockt man zwei Rückepferde nach Feierabend noch einmal aus dem Stall? Thomas Göllner versucht es mit Leckerlis aus dem Pott. Edold lässt sich nicht lange bitten.

Edold und Moritz leben seit 1999 in Uelzen, sie bilden die zweite Generation Rückepferde im Stadtwald. Die beiden Kaltblüter stammen aus dem Osten Deutschlands, Edold aus Sachsen-Anhalt und Moritz aus Thüringen. »In der ehemaligen DDR ist die Arbeit mit Rückepferden nie unterbrochen worden, sie waren dort in der Forstwirtschaft immer ein probates Arbeitsmittel«, weiß Thomas Göllner, noch bis zum Mauerfall wurde dort im Wald mit Pferden gearbeitet. »Das ist heute auch noch so, wenn auch nicht mehr in dem Maße wie früher.« Auch im Osten habe es in den vergangenen Jahren einen deutlichen Rückgang gegeben.

Insgesamt 17 Jahre waren Edold und Moritz nun im Einsatz, Edold ist 19 Jahre alt und Moritz 20 – das ist bei Arbeitspferden die Altersgrenze. »Sie sollen einen guten Ruhestand haben«, so der Förster. Vielleicht könne man sie als Beistellpferde unterbringen, wie damals Carola. Mal eine Kutsche ziehen, das können die Beiden auch noch. Hauptsache, sie bleiben zusammen. »Wenn einer von Beiden fort ist, dann dauert es nicht lange und der andere ruft nach ihm. Sie sind eben miteinander alt geworden und sehr aufeinander bezogen.« Carola war die erste vierbeinige Waldarbeiterin in Uelzen, ein Schleswig-Holsteiner Kaltblut. Sie war 1985 angeschafft worden.

Den Anlass für den Beginn der naturgemäßen Waldbewirtschaftung im Uelzer Stadtforst gab ein Sturm: Am 13. November 1972 fegte Organtief Quimburga über Mittel- und Norddeutschland und verursachte auch in Niedersachsens Wäldern erhebliche Schäden. Im Uelzener Stadtwald waren so viele Bäume entwurzelt worden, dass 30.000 Kubikmeter Holz – das Zehnfache des üblichen Jahreseinschlags, aus dem Wald geholt werden musste. Anschließend sollte aufgeforstet werden. Verantwortlich war Ernst Gerlach, der als Förster gerade erst von Lübeck nach Uelzen gewechselt war. Er überzeugte Politiker und Stadtverwaltung von den Vorteilen einer naturgemäßen Wirtschaftsform und brachte auch die Idee mit den Rückepferden ein. Grundgedanke ist, die Prozesse der Natur in die Bewirtschaftung besser einzubeziehen. »Wir verstehen darunter eine Einzelbaumwirtschaft, es gibt keine Kahlschläge und keine Flächenhiebe. Außerdem wurden für die Aufforstung Baumarten gewählt, die unserem Standort entsprechen, also Laubbäume«, so Thomas Göllner. Auch auf Pestizide wird verzichtet, zumal der Stadtwald nicht nur von wirtschaftlichem Interesse, sondern darüber hinaus ein wichtiges Erholungsgebiet für die Uelzener und ihre Gäste ist. In dem von der Grundmoräne der Saale-Eiszeit geprägten Uelzener Becken sind die Böden besser als in anderen Gegenden des Landkreises. Hier gibt es lehmige Böden, die sich für den Anbau artenreicher Waldgesellschaften mit Eiche, Ahorn, Linde oder auch Esche eignen. Die Hauptbaumart der Region ist die Buche. In den Jahren nach dem Sturm wurden die Nadelwaldbestände nach und nach mit Laubbäumen angereichert. Aus 80 Prozent Kiefer und Fichte bestand der Stadtwald zuvor – ein Erbe der Aufforstungen nach dem Ende der Heidebauernwirtschaft um 1850. »Heute haben wir hier nur noch 30 Prozent Nadelholz, das Verhältnis hat sich umgekehrt«, so Göllner, der den Weg Gerlachs mit Überzeugung fortsetzt und den Waldumbau zu einen baumartenreichen Mischwald vorantreibt. Auch die Arbeit mit Rückepferden soll fortgesetzt werden. Gründe, die für den Einsatz von Pferden im Wald sprechen, sind vielfältig: Sie tragen keine Schadstoffe in das Waldökosystem und ins Trinkwasser ein, sie schonen die natürliche Verjüngung von Waldbäumen und belasten den Boden sehr viel weniger als große Maschinen. Gerade die Verdichtung des Waldbodens ist ein Problem bei intensiv bearbeiteten Flächen, denn sie verhindert nicht nur die Durchwurzelung, sondern sie behindert auch das Eindringen des Regenwassers in größere Tiefen. Darüber hinaus brauchen Pferde im Vergleich zu großen Fahrzeugen nur etwa halb so viele Rückegassen. Es steht also mehr Fläche für die Bewirtschaftung zur Verfügung, ein wirtschaftlicher Vorteil. Etwa ein Drittel der Holzernte wird mit den Pferden bewältigt Die Pferde arbeiten in der Hiebsaison von September bis März. Sie bringen das Holz aus dem Wald zu den Rückegassen, und sie leisten Fällhilfe, indem sie hängengebliebene Bäume herabziehen – eine schwere Arbeit. Trotzdem hatten Edold und Moritz immer Lust dazu, bestätigt der Förster. Etwa ein Drittel der Holzernte wird mit den Pferden bewältigt. Der ein Jahr ältere Moritz war bereits ausgebildet, als er nach Uelzen kann, Edold erlernte hier sein Handwerk. »Die Tiere lernen voneinander. Wer mit ihnen arbeitet, muss ein besonderes Verhältnis zu ihnen haben, auf sie eingehen und Freude daran haben.« Genau das gilt für das Uelzener Stadtforst-Team, das so bald wie möglich Nachrücker für Edold und Moritz anschaffen möchte, die von Edold noch eingearbeitet werden können. Denn nicht jedes Pferd eignet sich. »Wir hatten einmal ein ganz wildes Tier, das ist uns, obwohl Kaltblüter, immer wieder durchgegangen. Die Pferde müssen ruhig und ausgeglichen sein«, sagt Tomas Göllner, der sich über die gute gemeinsame Zeit mit den Beiden freuen kann. »Bei schönem Wetter fährt unser Mitarbeiter mit der Kutsche zur Arbeit, er bekommt ganz viel Zuspruch von den Menschen.« Edold und Moritz leisten auch pädagogische Arbeit, denn oft kommen Kindergartenkinder oder Schulklassen zu Besuch, die die Tiere und ihren Arbeitsalltag kennenlernen. Das Uelzener Modell ist in Niedersachsen einzigartig. 20.000 Euro kosten Haltung und Arbeit mit den Pferden im Jahr. Bisher konnten Stadt und Forstbetrieb die Summe jedes Jahr gemeinsam aufbringen, aber Unterstützung ist immer willkommen und vonnöten, gerade jetzt, da es um Nachrücker für die Rückepferde geht. Wer hier einen Beitrag möchte, kann sich gerne bei der Stadt Uelzen melden. Edold und Moritz würden sich freuen. Über einen schönen Altersruhesitz übrigens auch!

Beste Freunde: Moritz (links) und Edold haben 17 Jahre lang jeden Tag zusammen verbracht – bei der Arbeit, auf der Weide und in ihrem kleinen Stall bei der Stadtförsterei von Uelzen.