AM WASSER UND IM WACHOLDERWALD

Radtour rund um den Haußelberg im Naturpark Südheide

INKA LYKKA KORTH / Text und Fotos 

Sollen wir noch einen kleinen Abstecher hinunter zum Bach machen? Würden wir gerne, aber es wird schon langsam dunkel, und kalt und ungemütlich ist es auch. Auch die Hunde sehen nach dem anstrengendem Stapfen durch den Schnee etwas müde aus. Wir beschließen, noch einmal hierher zu kommen – zu einer anderen Jahreszeit – und den Bach im Rahmen einer Radtour zu erkunden. Das war im Winter. "Im Winterwald und auf der Heide" hieß die Calluna-Geschichte, von der hier die Rede ist. Jetzt, sechs Monate später, müssen wir uns keine Sorgen machen, ob wir noch vor Einbruch der Dunkelheit zurück am Ausgangspunkt unserer Tour eintreffen werden. Dafür ist das Wetter noch kräftezehrender als damals. Die Außentemperatur liegt 30 Grad über der an jenem Tag im Dezember, als wir zu unserer Winterwanderung aufbrachen, und die Hitze macht uns mehr zu schaffen als die Kälte. Da es den Hunden wahrscheinlich ähnlich ergehen würde, haben wir sie diesmal lieber zu Hause gelassen.

Die einspurige Straße Raakamper Weg, die von Lutterloh nach Weesen führt und auf der es sich so gemütlich dahinrollen lässt, gegen die rechts abzweigende Sandpiste einzutauschen, ist wenig verlockend, aber bis zum Bach hinunter sind es kaum mehr als hundert Meter, und außerdem sind wir mit Mountainbikes unterwegs, und die grobstolligen Reifen können endlich das machen, wozu sie gedacht sind: durch den Sand pflügen.

Ein Ort zum Entspannen und Träumen
Brücke am Weesener Bach zwischen Lutterloh und Weesen.

Unten am Bach erwartet uns, und das ist nicht übertrieben, ein kleines Naturparadies. Wir lehnen die Räder an das Geländer der Holzbrücke und lassen diesen besonderen Ort auf uns wirken, der uns wie eine grüne Oase inmitten des staubtrockenen Nadelwaldes erscheint.

Glasklares Wasser plätschert unter der Brücke und hat in einer Biegung davor das Ufer ausgewaschen und dem sich munter schlängelnden Bach ein Stück Sandstrand geschenkt. Am liebsten würden wir sofort Schuhe und Söckchen ausziehen und uns im Bach abkühlen. Aber wir sind uns nicht sicher, ob wir das dürfen, denn der Bach steht unter Naturschutz, und außerdem gibt es ein paar Kilometer weiter flussabwärts eine offizielle Wassertretstelle, und auch die ist wunderschön, wenngleich nicht so einsam. So begnügen wir uns damit, nur die Hände ins Wasser zu halten und dabei die Strömung zu spüren.

Auf der Bank am Ufer nehmen wir einen großen Schluck aus der Wasserflasche, bevor wir das Bachtal verlassen und hinauf zum Weesener Weg fahren, der wie der Raakamper Weg parallel zum Bach verläuft, nur auf der anderen Seite. Für ein Picknick wäre es zu früh gewesen, denn wir sind noch auf der ersten Etappe unserer Tour, haben gerade einmal zwölf Kilometer zurückgelegt.

Vom Auto aufs Fahrrad umgesattelt sind wir am Albert-König-Museum in Unterlüß, in dem wir nach der Tour noch die neue Ausstellung mit dem zum Sommer passenden Titel »Der Maler und das Licht« anschauen wollen. Anschließend könnte der Tag bei Kaffee und Kuchen im Museumsfoyer ausklingen.

Unsere Tour folgt einer gedachten Kreisbahn um den 118 Meter hohen Haußelberg im Naturpark Südheide, auf der wir im Uhrzeigersinn fahren und uns dabei am Weesener Bach, an der Örtze und an der Sothrieth orientieren.

Die ersten Kilometer sind das reinste Vergnügen, denn es geht bergab – von Unterlüß auf der Fahrradspur eines Waldwegs in flottem Tempo hinunter in den Franzosengrund. Das letzte Teilstück des abschüssigen Weges hat eine alte Kopfsteinpflasterung. Unten liegt an einer Lichtung das ehemalige Forsthaus Siedenholz, in dem die Landesforsten ein Waldpädagogikzentrum betreiben und Seminare im Bereich Umweltbildung anbieten.

Ein Forsthaus an dieser Stelle wurde bereits im Jahr 1697 erwähnt. Das heutige, als Denkmal geschützte Gebäude stammt aus dem Jahr 1818. Es wurde erst kurz nach der Franzosenzeit errichtet. Zwischen 1806 und 1813 diente der kleine Forstort, wie der Celler Heimatforscher Florian Friedrich schreibt, französischen Soldaten als Lagerplatz auf ihrem Weg nach Osten. Zweimal sollen dort sogar ganze Divisionen, jeweils etwa 6000 Mann stark, mit Artillerie und Pferden gelagert haben. Seit dieser Zeit wird der einstige Lagerplatz Franzosengrund genannt. Wir fahren nun auf der vom Forsthaus an asphaltierten Straße nach Westen, blicken über eine große Wiese zur Revierförsterei Schafstall und passieren den Schröderhof, der sich, in schönster Alleinlage, mit sieben Ferienwohnungen als Urlaubsort empfiehlt.

Der kleine Heideort Lutterloh, unsere nächste Station, begeistert mit seinem alten, gerade umfangreich restaurierten Speicher in einem Eichenhain am Fuß der Heidefläche am Weesener Berg. Außerdem sehenswert ist hier der historische, als Denkmal geschützte Taubenschlag mit Glockenturm auf dem Hof Hiestermann an der Dorfstraße.

Wir überqueren zum ersten Mal auf dieser Tour den Weesener Bach, der südlich des Ortes entspringt, biegen hinter der Brücke rechts ab in den Raakamper Weg und fahren drei Kilometer immer geradeaus, bis wir auf die Sandpiste treffen, die hinunter in das kleine Naturparadies mit Brücke am Bach führt.

In Weesen geht der Lutterloher Weg in die Weesener Straße über. Im alten Ortskern sehen wir einige durchaus eindrucksvolle Bauernhäuser mit Treppenspeichern aus dem 19. Jahrhundert. Am alten Trafoturm von 1914, einem Relikt aus den Anfängen der Elektifizierung, verlassen wir die nach links abknickende Weesener Straße und fahren geradeaus weiter. Zum Mühlenbruch heißt der Weg, der uns in ein Teichgebiet am nördlichen Ortsrand von Hermannsburg führt.

Einer der Teiche am Weesener Bach

An der ehemaligen Furt, an die noch der Straßenname Sägenförth erinnert, wechseln wir einmal mehr von einem Ufer des Weesener Baches ans andere. Anstelle der Furt überspannt heute eine Brücke den Weesener Bach, der hier Lutterbach genannt wird. Nur ein paar Schritte weiter können wir wie einst durch den Bach waten – eine Wassertretstelle lädt dazu ein.

Auf der Straße Am Lutterbach fahren wir parallel zum Bach und biegen am Ende rechts ab in die Waldstraße, auf der wir ein letztes Mal den Bach überqueren, bevor dieser ein Stück weiter westlich in die Örtze mündet. Kurz vor der Mündung gibt es eine alte Wassermühle, die seit 1757 sowohl als Sägemühle als auch als Getreidemühle in Betrieb war und unter Denkmalschutz steht. Sie befindet sich auf dem Gelände des Lutterhofes, der Wohnmobilstellplätze mit Ausblick auf das Örtzetal anbietet.

Vor der Straßenbrücke über die Örtze stehen jede Menge Autos mit dem Kennzeichen »H« für Hannover. Eine Gruppe junger Leute hat sich in Müden Kanus gemietet und ist flussabwärts gepaddelt. Gerade sind die Paddler angelandet und verstauen die Kanus auf dem Anhänger des Verleihers.

Die von Radfahrern viel befahrene Strecke an der Örtze entlang durch den Wald nach Müden ist Teil des Fluss-Wald-Erlebnispfades und entsprechend mit Schautafeln beschildert. In Müden drehen wir eine Runde durch den historischen Ortskern bis zur Wietze-Brücke – die Wietze mündet in Müden in die Örtze.

An den Wochenenden im Sommer lockt schräg gegenüber der Kirche der Müllern-Hof mit Bauerncafé, mehreren Läden und einem Kinderspielplatz Tagesausflügler aus den Städten in Scharen an.

Das Ambiente unter den großen, alten Eichen ist zweifellos sehr schön, aber bei so viel Trubel würden wir lieber in das ruhigere, aber nicht weniger idyllisch gelegene Winkelhof-Café nebenan ausweichen, zumal dort großer Wert auf Regionales in Bio-Qualität gelegt wird.

Da wir noch eine ordentliche Strecke vor uns haben, lassen wir die Kaffeepause ausfallen und verzichten auch auf einen Spaziergang um den Heidesee. Lediglich an der Wassermühle, die heute die Tourist-Information beherbergt – außerdem werden in dem Gebäude wechselnde Kunstausstellungen gezeigt –, halten wir und blicken von der Brücke zwischen dem alten Mühlengebäude im Fachwerkstil und dem mehrstöckigen Turbinenhaus in Backsteinbauweise auf das Wasser der Örtze.

Am Ortsausgang verlassen wir die Unterlüßer Straße und biegen nach links in den Eichhornkobel ab und fahren durch das Ferienhausgebiet am Heidesee. Über den Bisambau erreichen wir den Freeswinkel und folgen diesem Weg am Rand der kleinen Siedlung Mittelstendorf bis an die Örtze.

Ländliche Idylle an der Örtze bei Mittelstendorf.

Vor der Holzbrücke beginnt der Uferpfad, der sich bis Poitzen durch den Wald schlängelt. Befahren lässt er sich nur mit Mountainbikes, aber auch ohne geländegängige Fahrräder lohnt es sich, diesen Umweg zu wählen und die Räder auf einer Strecke von 1,5 Kilometern am Fluss entlang zu schieben, anstatt auf der Unterlüßer Straße und dem Müdener Weg direkt nach Faßberg zu fahren. Dieser Abschnitt des Müdener Fluss-Wald-Erlebnispfades lockt mit traumhaft schönen Ausblicken von der zum Teil recht steilen Uferböschung hinab auf den Fluss, der hier Wildnischarakter hat.

Wir kommen uns vor wie auf einer kleinen Dschungelexpedition. Unterwegs versperrt ein umgestürzter Baum den Weg, und wir müssen die Fahrräder über den Stamm heben.

Fast wie im Dschungel...

Als wir am Ortsrand von Poitzen auf einen Querweg stoßen, nehmen wir den, landen aber auf einem Bauernhof. Da haben wir doch tatsächlich übersehen, dass der Pfad geradeaus über eine Wiese weiterführt. Also wieder zurück und über die Wiese in den Ort. Poitzen ist eines der ursprünglichsten Heidedörfer. Hier scheint die Zeit stehengeblieben zu sein, und das macht den Ort durchaus sympathisch. 

Auf unserer Rundfahrt durchs Dorf sehen wir einige schöne, von großen, alten Eichen beschirmte Bauernhäuser, und auch der Bahnhof an der stillgelegten Kleinbahnstrecke nach Munster, in dem sich heute eine Gaststätte befindet, hat sich den Charme vergangener Zeiten bewahrt. Zum Poitzer Bahnhof heißt die mit einem Radweg ausgestattete Straße, auf der wir nun nach Faßberg fahren.

Der Kontrast zwischen Poitzen und Faßberg könnte nicht größer sein. Hier das gewachsene, um 1300 erstmals urkundlich erwähnte Heidedorf, dort der erst in den 1930er Jahren mit dem Bau des Fliegerhorstes angelegte Ort. Auf den ersten Blick wirkt Faßberg, wie die meisten typischen Reißbrett-Siedlungen wenig einladend. Wer sich aber ein wenig mehr Zeit nimmt für eine Rundfahrt oder einen Rundgang durch den Ort, wird feststellen, dass Faßberg durchaus Charme hat, vor allem weil sich die Planer einst von der Gartenstadt-Idee inspirieren ließen und die schmucken Siedlungshäuser in weitläufige Grünanlagen einbetteten – nicht ohne Hintergedanken: Dichter Baumbestand sollte als Tarnung dienen und so den Flugplatz schützen. Drei stä̈dtebaulich und architektonisch interessante Wohnsiedlungen stehen sogar unter Denkmalschutz: Bis 1936 wurde die Rote Siedlung fü̈r Offiziere und Beamte gebaut, 1937 entstand die Weiße Siedlung für Arbeiter. In den 1960er Jahren kam die Schwagenscheidt-Siedlung hinzu, benannt nach dem Archikten Walter Schwagenscheidt, dessen bekanntestes Werk die Nordweststadt in Frankfurt am Main ist. Dank der Denkmalschutzauflagen sind die Siedlungshäuser weitgehend unverbaut. Rollläden sind zum Beispiel verboten und die alten, in Weiß oder Grün lackierten Fensterläden sowieso viel schöner.

Vor dem Tor zum Fliegerhorst biegen wir rechts ab in die Straße Waldweg und kommen am Luftbrückenmuseum vorbei, das an die Berliner Blockade erinnert. Vom 25. Juni 1948 bis zum 30. September 1949 wurde der von der Sowjetunion abgeriegelte Westteil der Stadt mit allem, was zum Leben notwendig war, aus der Luft versorgt. Das Museum ist vom 17. März bis 14. Oktober täglich außer freitags von 13 bis 17 Uhr geöffnet (Eintritt: 3 Euro).

Am Ende des Waldweges biegen wir nach links ab und fahren auf einer traumhaft schönen Eichenallee nach Schmarbeck. Kurz vor dem malerischen Heideort bewundern wir die auf einem Feld stehende, etwa 350 Jahre alte, landschaftsprägende Eiche.

Am Ortsausgang bleiben wir auf der nun einspurigen Straße und folgen den Wegweisern zum Wacholderwald, der als größter und schönster seiner Art in Norddeutschland gilt.

Inmitten dieser nicht nur zur Heideblüte landschaftlich reizvollen Heidefläche liegt der sagenhafte 94 Meter hohe Faßberg, auf dem seit 2006 das einzige Gipfelkreuz der Lüneburger Heide steht – mittlerweile allerdings von Birken überwuchert. Vom Faßberg aus bietet sich ein phantastischer Rundumblick. Gen Süden fällt der Blick auf den Haußelberg, der zwar 26 Meter höher ist als der Faßberg, aber kein Gipfelkreuz, sondern »nur« einen Gaußstein besitzt.

Der Weg durch die Heide nach Oberohe ist, wie alle Naturpark-Radwege auf dieser Tour in tadellosem Zustand, sodass es keiner Mountainbikes bedurft hätte. Lediglich auf dem kurzen Stück zur Brücke über den Weesener Bach und auf dem Pfad an der Örtze, der allerdings nicht als Radweg gedacht ist, erwiesen sich die breiten, grobstolligen Reifen als vorteilhaft. 

Oberohe und Niederohe waren einst das Zentrum des Kieselgurabbaus in der Heide. Die Kieselgur besteht aus den Schalen fossiler Kieselalgen, die sich einst am Grund von Gewässern ablagerten, die später trockenfielen und von Sandschichten überlagert wurden. Entdeckt wurde die weiße Erde zufällig bei Brunnenbauarbeiten im Jahr 1836. Zunächst konnte man sich nicht vorstellen, dass sie überhaupt zu etwas zu gebrauchen sei. Dementsprechend deutlich fiel die Analyse eines Lüneburger Chemikers aus: »Dat olle Tüg is tau niks tau bruken«. Aber vielleicht ließen sich mit dem mehlartigen Pulver wenigstens leckere Pfannkuchen backen? Nein, das war keine gute Idee. Die Pfannkuchen sollen ungenießbar gewesen sein. Erst Jahre später fand man heraus, dass sich die Kieselgur vielseitig verwenden lässt, beispielsweise für Trinkwasserfilter, als Klärmittel bei der Herstellung von Bier und Wein, für die sichere Lagerung von Nitroglyzerin sowie für Reinigungsmittel, Puder und Pasten. Der Kaufmann Berkefeld, Begründer der Filterfabrik in Celle, war der erste, der die Kieselgur im großen Stil abbauen ließ. 1869 eröffnete er ein Werk in Niederohe, dem weitere folgen sollten. 1994 wurde der unrentabel gewordene und unter Umweltschutzaspekten problematische Abbau eingestellt. Heute erinnern lediglich noch einige Gruben in dem Gebiet – die meisten haben sich zu naturnahen Teichen entwickelt – an die Zeit, als hier im großen Stil das weiße Gold der Heide gewonnen wurde. Die Gruben sind durch Rundwanderwege erschlossen, die am Wanderparkplatz in Oberohe südlich der Landesstraße 280 beginnen. Nördlich der Landesstraße gibt der Kieselgur-Erlebnispfad, der zum Teil über das Gelände des Ferienparkes Heidesee verläuft, mit Schautafeln und Objekten aus der Zeit des Abbaus Einblicke in die Geschichte der Kieselgurgewinnung.

Wir kennen das Kieselgurgebiet bereits von früheren Besuchen, und auch auf den Abstecher zum Heidschnuckenhof in Niederohe, der als Vorlage für das im Calluna-Verlag erschienene zauberhafte Kinderbuch "Wir Heidschnucken vom Sothriethof" diente, verzichten wir diesmal. Stattdessen überlegen wir, welche Route wir für den Rückweg nach Unterlüß nehmen sollen. Entweder am Wanderparkplatz vorbei über Neuohe durch Wald und Heide dem ausgeschilderten Radweg bis zur Siedlung Waldhäuser zwischen Unterlüß und Lutterloh folgen oder auf dem Radweg entlang der parallel zum Sothriethbach verlaufenden Landesstraße direkt nach Unterlüß fahren? Da uns die Hitze an diesem Tag doch etwas zu schaffen macht, entscheiden wir uns für die zweite, kürzere Variante, zumal der Radweg an der Landesstraße asphaltiert ist und ein schnelleres Vorankommen ermöglicht. Die andere, längere Variante wäre ruhiger (kein Verkehrslärm) und landschaftlich reizvoller und ist somit eigentlich unser Favorit, nur heute wegen der Hitze nicht. Statt uns noch länger dem gleißenden Sonnenlicht auszusetzen, wollen wir es uns nach dieser 48 Kilometer langen Tour lieber auf der Leinwand anschauen – in der Sonderaustellung »Der Maler und das Licht« im Albert-König-Museum in Unterlüß.