DER MEISTER DES KLEINEN UND FEINEN

Detlev Voigt fertigt in seinem Keller in Knesebeck Kunsthandwerkliche aus Holz in der Tradition des Erzgebirges

MARION KORTH / Text // INKA LYKKA KORTH / Fotos und Video

Detlev Voigts liebster Ort im ganzen Haus ist der Keller. An manchem freien Tag ist er hier von 7 Uhr früh bis 10 Uhr am Abend. Freiwillig. »Ich säge einfach gern«, sagt er. Einen ganzen Maschinenpark hat er aufgefahren, Herzstück ist die Hegner Dekupiersäge, aber es gibt auch Bohrer, Tellerwinkelschleifer, Oberfräse, Heißklebepistole und sogar einen Fön. Eine Schicht feinster Späne zeugt von seinem unermüdlichen Tun. Die Technik ist Hilfsmittel, Detlev Voigts Lichterbogen und Weihnachtspyramiden sind reinste Handarbeit. Fummelarbeit könnte man auch sagen, denn Voigt ist ein Meister des Kleinen und Feinen. Aus drei Millimeter dünnen Pappelholzplatten lässt er weihnachtliche Szenerien mit Engeln und Glöckchen entstehen oder einen Wald mit zarten Zweigen, Pilzen, Rehen, Fasanen, Igeln und Eichhörnchen. 

Der Igelkörper ist von winzigen Stachelumrissen durchbrochen, es ist ein Rätsel, wie Voigt es hinbekommt, hier nicht nur genau das Sägeblatt zu platzieren, sondern auch noch diese winzige Form ins Holz zu zaubern. 350 Schnitte braucht er für die Hohner Kirche. »Wenn ich das alles zusammenrechne, säge ich Kilometer«, meint Voigt. An ein Projekt hat er sich noch nicht herangewagt: das Wolfsburger Schloss – das wären 680 Schnitte, hat er ausgerechnet.

Gerade hat er die Knesebecker Kirche unter der Säge. Die Vorlage dafür hat er nach einem Foto ebenfalls selbst gezeichnet. Auf dem Weg vom Foto zur Zeichnung hat ein Umdenkungsprozess stattgefunden. Die Kunst ist, die Kirche mit Sägeschnitten quasi nachzuzeichnen, aber so, dass das Motiv hinterher erkennbar ist und nicht etwa ausgesägt aus der Form fällt.

»Loch bohren, einfädeln, schnippeln«, so beschreibt Voigt salopp den Arbeitsvorgang. Eingespannt hat er das dünnste Sägeblatt – nur 0,3 Millimeter breit. 10 bis 15 solcher Blätter verschleißt er für einen Lichterbogen. Mit ruhiger, routinierter Hand schiebt Voigt das Holz mit der Vorlage darauf vorwärts, verfolgt Bögen und Rundungen, kommt punktgenau wieder am Anfang an. Unglaublich, wir staunen.

»Es gibt nur ganz Wenige, die so etwas machen und so fein sägen«, sagt Voigt. Selbst in der Heimat der Holzkunst, dem Erzgebirge, werde heute mehr gelasert und in Massenproduktion als Stück für Stück von Hand gearbeitet, sagt er. Acht Wochen Arbeit stecken in den mit 1,50 Meter größten Pyramiden, vier Stunden allein für die Technik. Auch dabei legt Voigt Wert auf akkurate Arbeit, hat sich alles genau ausgetüftelt, angefangen von der sich geräuschlos auf eigenem Lager drehenden Achse über den hinter Tannen verborgenen Metallstab, von den gesägten Halterungen für die indirekte Beleuchtung bis hin zum im Sockel verborgenen Schweizer Spielwerk.

Voigt hat an alles gedacht, Schieber rein, Knopf gedrückt und schon dreht sich die Pyramide ohne thermische Kerzenkraft. Das Sockelgeschoss ist geschraubt und nicht geleimt – eine eingebaute Wartungsklappe. »Ich komme an alles 'ran«, sagt Voigt. 

Manchmal erhält er Reparaturanfragen, aber bei gekauften Pyramiden muss er passen, die lassen sich nicht reparieren, ohne sie dabei zu zerstören. Eine Pyramide aus Voigtscher Kellerwerkstatt ist dagegen eine Anschaffung fürs Leben. »So etwas kauft man sich nur einmal«, sagt er.

Der Baumschmuck aus der 

Knesebecker Kellerwerkstatt 

ist so begehrt, dass 

Detlev Voigt nie genug 

davon produzieren kann.


Voigts Liebe zum Holzhandwerk offenbarte sich schon in der Schulzeit. Er holt den Hahn hervor, den er damals aus einem aus acht verschiedenen Holzarten geleimten Block gesägt, geraspelt, gefeilt und geschmirgelt hat. Anschließend immer und immer wieder polierte, bis er glänzte wie lackiert. »Der ist 40 Jahre alt. Nein, älter, 42 Jahre«, sagt Voigt nach einigem Überlegen.

Vor 20 Jahren wagte er sich dann an seinen ersten von Hand gesägten Lichterbogen. Der steht noch immer im Werkstattregal.

Voigt muss lachen über diese etwas grobschlächtige Anfängerarbeit. Aber er blieb dran, ermuntert auch durch Freunde, die den Bogen bei ihm sahen und auch einen solchen haben wollten. Gern erinnert er sich an den Auftrag der früheren Gifhorner Landrätin Marion Lau, die das Gifhorner Schloss gleich fünfmal bei ihm bestellte – als Geschenk für eine Delegation aus Polen.

Marianne Voigt teilt die Leidenschaft ihres Mannes. »Meine Frau macht alles, was bunt ist«, sagt Voigt und zeigt eine lustige Menagerie aus Kantenhockern: Katzen, Krokodile, Giraffen, Eulen, außerdem Weihnachtsbaumschmuck und Mobiles aus filigranen Schmetterlingen. Er ist zuständig für die Vorarbeiten an der Säge, zusammen entwickeln sie immer wieder neue Ideen.

Kantenhocker-Krokodil  made in Knesebeck – gesägt  von Detlev Voigt, bemalt  von Marianne Voigt.

An die 20 Kunsthandwerkerausstellungen besuchten die Voigts im Jahr, haben ihr Pensum aber ein wenig zurückgeschraubt. Beide sind schließlich berufstätig. Derzeit kommt die Pyramiden- und Lichterbogenproduktion gerade wieder richtig in Fahrt. Detlev Voigt freut sich schon auf die bevorstehenden Adventsausstellungen zum Beispiel im Gifhorner Schloss oder auch in Wesendorf.

Geht Voigt auch einmal ein Sägeschnitt daneben? »Selten«, sagt er. »Wenn doch, dann habe ich den Werkstattofen, der knistert das dann weg.« Holzreste bleiben auch so genug übrig, Brennmaterial für die Feuerschale, wenn die Voigts sich im Sommer einmal zu einem lauschigen Abend auf der Terrasse und nicht im Keller entschließen.

Was beim Sägen übrigbleibt, kommt im

Winter in den Werkstattofen, im 

Sommer in die Feuerschale auf der Terrasse.


Kontakt: Detlev Voigt, Telefon 0 58 34/6333, E-Mail voigt.detlev@web.de