Ein Schafstall für die Ellerndorfer Wacholderheide

Der Plan: Kein Neubau im alten Stil, sondern Umzug und Wiederaufbau eines historischen Schafstalles 


CHRISTINE KOHNKE-LÖBERT / Text / Fotos 

Als Hans Heinrich Schmedt und seine Frau Ilse Dorothea im Jahre 1756 nicht weit von ihrem Wohnort Linden bei Ebstorf einen Außenschafstall für ihre Heidschnuckenherde erbauten, ging die Zeit der Heidebauernwirtschaft langsam ihrem Ende zu. Noch etwa 100 Jahre sollte es dauern, bis die althergebrachte Wirtschaftsform der Lüneburger Heide verschwand – und mit ihr auch die großen Bestände eines Charaktertieres der Heide: die Heidschnucke. Für Familie Schmedt aber gehörten die Schnucken noch zum Lebensunterhalt, und so baute sie nicht weit von ihrem Heimatort Linden einen Stall. Heinrich und Ilse Schmedt müssen stolz auf ihren neuen Stall gewesen sein, denn sie ließen einen Spruchbalken über dem großen Einfahrtstor anbringen. Das war nicht üblich. Auf dem Balken ließen sie ihre Initialen HHS und IDB für Hans Heinrich Schmedt und Ilse Dorothea Bunge sowie die Jahreszahl 1756 einschnitzen. Damit ist der Lindener Stall der einzige inschriftlich datierte in der Region.

Hans Heinrich Schmedt war Vollhöfner auf dem Hof Nr. 3 in Linden. Er lebte von 1699 bis 1783. Seine Frau Ilse kam aus der Nachbarschaft, vom Hof Nr. 2 in Linden. Trotz dieses ungewöhnlichen Aufwandes für einen Schafstall ist dieser ansonsten sehr sparsam gebaut: Seine fünf Sparrenpaare stehen ohne Schwelle direkt auf den großen Fundamentsteinen – eine besonders bescheidene und gekonnte Abzimmerung.

Außenschafställe waren zur Zeit der Heidebauernwirtschaft so verbreitet in der Lüneburger Heide, dass sie quasi zum charakteristischen Landschaftsbild gehörten. Als die großen Heideflächen seit 1850 nach und nach verschwanden und die Heide als romantische, vermeintlich naturbelassene Gegend entdeckt wurde, verinnerlichten die Menschen auch die Schafställe als Teil der Landschaft. Sie werden noch heute in der touristischen Vermarktung gerne als Motiv verwendet. Die beiden nebeneinanderstehenden Schafställe in Groß Oesingen (Landkreis Gifhorn) sind sogar Bestandteil des Gemeindewappens.

Verschloßne oder vermachte Ställe sind wahrhaftig die schlimmste Wohnung, die man den Schaafen nur geben kann. Denn gewiß wohnen die Schaafe bey weitem besser in halb-offnen Ställen als in zugemachten. Besser noch, als in halb-offnen Ställen, wohnen sie unter Schuppen, wie etwa die Wagenschauer, und noch viel besser unter solchen, die ganz offen sind.
Das Zitat ist dem 1795 erschienenen"Katechismus der Schafzucht"  entnommen , das der französische Arzt und Naturforscher Louis-Jean-Marie Daubenton (1716-1800) verfasste.

Außenschaftställe besaßen in der Regel keine Seitenwände. Sie waren Nurdachkonstruktionen, deren Dachsparren direkt auf den Schwellen ruhten. Ihre Fundamente bestanden aus großen Findlingen. Ihr Kennzeichen, die besonders urtümliche und sparsame Konstruktion, beruht allerdings nicht auf dem hohen Alter dieser Ställe, sondern auf ihrer Funktion als reine Nutzbauten. Ihre Dächer waren in der Regel mit Roggenstroh, das der Bauer selbst angebaut hatte, gedeckt. Später verwendete man auch Dachziegel. Noch um 1950 waren auf Karten im Gebiet des Landkreises Uelzen etwa 250 Außenschafställe verzeichnet, und auch im Celler und Gifhorner Raum waren sie zahlreich zu finden. Im Jahr 1981 veranlasste die Kreisverwaltung in Uelzen auf Initiative des Museumsdorfes Hösseringen eine Überprüfung dieser Stellen – mit dem Ergebnis, dass nur noch 25 Ställe erhalten geblieben waren. Seither sind weitere Schafställe verschwunden, so zwei in der Ellerndorfer Heide und kürzlich der zwischen Gerdau und Groß Süstedt an der Bundesstraße 71. Ein weiterer historischer Stall an der alten Pflasterstraße von Ellerndorf zur Bundesstraße 71 ist nur noch eine Ruine und wohl unrettbar verloren.

In älterer Zeit gab es häufiger Gruppen von Schafställen, eine davon ist im Landkreis Uelzen erhalten geblieben: In einem kleinen Wäldchen bei Varendorf stehen zwei Ställe beieinander. Die einzelnen Ställe dieser Gruppen gehörten in der Regel verschiedenen Bauern und das hatte seinen Grund. Die Heidschnucken wurden als die einzigen Tiere, die sich ausschließlich von Heidekraut ernähren konnten, nicht nur ihrer Wolle oder des Fleisches wegen gehalten. Vielmehr bestand ihre Hauptaufgabe darin, Dünger zu produzieren. Dieser Dünger war so wertvoll, dass die Bauern keine gemeinsamen größeren Ställe bauten, sondern jeder seinen eigenen. Jeden Abend wurden die Schnuckenherden in den Stall getrieben. Auf diese Weise konnte man abgelegene Heideflächen als Weide benutzen und gleichzeitig mit der Einstreu aus abgeplagtem Heidekraut den wertvollen Dünger sammeln. Die Außenschafställe dienten als Sommerställe und schützten die Tiere gleichzeitig vor Nachtkühle und Feuchtigkeit.

Zudem gab es auf den Höfen die sogenannten Hofschafställe. Hier waren die Schnucken vorwiegend im Winter untergebracht. Diese Ställe sind mit ihren hohen Wänden von Scheunen nur schwer zu unterscheiden. Allerdings befinden sich die Tore mittig im Giebel, während die Tore der Scheunen seitlich versetzt sind. Nach der Aufgabe der Schafhaltung wurden diese Ställe dann auch meist als Scheunen genutzt. Im Museumsdorf Hösseringen ist ein Hofschafstall wiederaufgebaut worden. Er stammt aus Leverdingen im heutigen Heidekreis. Hier ist dauerhaft die Ausstellung Heidschnucken und Schäfer in der Lüneburger Heide zu sehen.

Ein besonderer Hofschafstall steht in der Böddenstedter Mühlenstraße auf dem Hof Hilmer. Es handelt sich um einen Doppelschafstall, der um 1795 errichtet wurde. Er hat eine Innentrennwand sowie zwei Tore in den Giebeln. Neben den Toren befindet sich jeweils eine Tür für den Schäfer.

Der Doppelschafstall in Böddenstedt bei Suderburg.

Heute sind nur noch wenige Außenschafställe erhalten. Auch der schon seit langem nicht mehr genutzte Lindener Stall befindet sich im Verfall. Andererseits wurden in Heideflächen neue Schafställe nachgebaut, so in Suderburg oder in Bad Bodenteich.

Auf Anregung von Dr. Horst Löbert wurde mit Einverständnis des Eigentümers der Plan geboren, den Lindener Stall zu bergen und in die Ellerndorfer Heide umzusetzen. Spontan erklärten sich die Mitglieder des Vereins zur Erhaltung der Ellerndorfer Wacholderheide bereit, bei der Bergung, dem Transport und Wiederaufbau mitzuhelfen. Etwa 2000 alte Dachziegel wurden schon gespendet. Für die notwendigen Mittel für den Wiederaufbau müssen allerdings noch Sponsoren gefunden werden. »Mit dem Gelingen dieser Maßnahme würde die Ellerndorfer Heide als touristisches Ziel um ein originales Kulturdenkmal reicher. Der Schafstall könnte beispielsweise als Schutzhütte für Besucher genutzt werden«, so der Vereinsvorsitzende Götz Schimmack.

In der Ellerndorfer Heide gab es bis in die 1980er Jahre sogar zwei Außenschafställe. Die ursprünglich von der Firma Rheinmetall als Schießplatz genutzte Fläche wurde um 1980 als touristisches Ziel und Naturschutzfläche zur Verfügung gestellt und wird seither vom Verein gepflegt. In diesem Zuge hatte man damals einen der beiden Ställe renoviert, der zweite wurde abgebrochen. Der renovierte Stall brannte jedoch kurz darauf ab. Er wurde wiederaufgebaut – und brannte ein zweites Mal ab. Die Fundamente beider Ställe sind im Gelände noch erhalten.

Auch ohne Schafstall wird die Wacholderheide teilweise in altüberlieferter Weise bewirtschaftet. Zur Unterstützung von Schäfermeister Gerd Jahnke, der hier mit seiner Schnuckenherde zu Hause ist, errichtete die Gemeinde Eimke einen modernen Zweckbau mit der Anmutung eines Stalles am Rand der Heidefläche. In der Saison können Gäste hier Kaffee trinken und Kuchen essen und dabei »Schnucken gucken«. »Es wäre doch schön, wenn wir einen der wertvollsten originalen Ställe der Region hier in der Heide wiederaufbauen könnten«, sagt Götz Schimmack. Vielleicht klappt es ja.