MIT BOOT UND BAHN

Auf der Ilmenau von Uelzen nach Bad Bevensen und zurück im Zug        

EACH MILE ON A RIVER WILL TAKE YOU FURTHER FROM HOME THAN A HUNDRED MILES ON A ROAD.
Ein bisschen wie im Dschungel: Die Zweige der Erlen und Weiden am Ufer ragen weit übers Wasser. 

INKA LYKKA KORTH / Text / Fotos

Wenn uns jemand nach der Faszination des Paddelns fragt, antworten wir mit diesem Zitat. Es stammt von Bob Marshall, einem amerikanischen Förster, Autor und Abenteurer, der kurz, aber intensiv von 1901 bis 1939 lebte und erkannt hat, das nichts den Horizont mehr erweitert als ein Perspektivenwechsel. Um über den sprichwörtlichen eigenen Tellerrand hinausschauen zu können, müssen wir uns keineswegs in die Vogelperspektive begeben. Nein, auch der Wechsel in die Froschperspektive kann – so kurios es klingt – uns neue Sichtweisen eröffnen. Wenn wir in unseren Kajaks einen Fluss hinunter paddeln, ist unser Blickwinkel zwar durch die Uferböschungen eingeschränkt, aber genau das ist es auch, was unseren Horizont erweitert. Vom Wasser aus nehmen wir die Welt anders wahr, fühlen uns der Zivilisation entrückt, der Natur ganz nah. Eine Ahnung von Wildnis, nur wenige Meter abseits der Häuser, Straßen und des geschäftigen Getriebes.

Bei niedrigen Wasserstand kann die Bootsrutsche am Wehr an der Außenmühle in Uelzen nicht genutzt werden. Macht nichts, denn auf der östlichen Flusseite können die Boote um das Wehr herum getragen und unterhalb des Wehres wieder eingesetzt werden. 

Unsere kleine Flucht aus dem Alltag ... 

... beginnt mitten in der Stadt Uelzen, im Landschaftspark der Ilmenauwiesen. Eigentlich wollten wir unsere Boote etwas weiter nördlich, direkt unterhalb des Wehrs an der historischen Außenmühle von 1808 – die Geschichte dieses Mühlenstandorts reicht nachweislich bis ins 15. Jahrhundert zurück – einsetzen, aber zur Kanu-Umtragestelle am Ostufer gibt es keine Zufahrt, und die über den Spottweg erreichbare Bootsrutsche am Westufer, auf der sich das Wehr passieren lässt, erwies sich aufgrund des niedrigen Wasserstands als nicht befahrbar. Deshalb fuhren wir in die Rippdorfer Straße und stellten das Auto in einem Seitenweg südlich des Lessing-Gymnasiums ab. Zum Flussufer sind es von dort nur etwa 50 Meter. Da man auf einem Fluss keine Rundtour machen und nur unter größter Anstrengung flussaufwärts gegen die Strömung paddeln kann, steht man am Ende einer Paddeltour vor dem Problem, mit den Booten zurück zum Ausgangspunkt zu kommen. An der Aller, Oker und Oertze gibt es Bootsverleiher und Anbieter von Kanutouren, die den Rücktransport organisieren. Aber auf der von uns gewählten Strecke von Uelzen nach Bad Bevensen (22 Flusskilometer) müssen (und wollen) wir uns selbst behelfen. Da wir mit unseren aus den USA importierten, wildwassertauglichen Faltbooten – sie haben anstelle eines zerlegbaren Innengerüsts aus Holz oder Aluminium Luftschläuche unter der Bootshaut – unterwegs sind, können wir die Rückfahrt bequem und umweltfreundlich per Bahn antreten.

Ein langer, ruhiger Fluss ...

Grüne Wiesen und knorrige Bäume am Ilmenau-Ufer in Klein Bünstorf.

Doch jetzt wollen wir noch gar nicht an die Rückfahrt denken, sondern uns auf eine schöne Paddeltour auf dem größten Fluss der Lüneburger Heide freuen. Die erste Etappe durch die Parklandschaft der Ilmenauwiesen führt an großen, alten Bäumen und an bis ans Ufer reichenden Gärten vorbei und unter einer Fußgängerbrücke hindurch, auf der wir abends auf dem Weg vom Bahnhof zum Auto den Fluss überqueren werden. Sie endet allerdings bereits nach etwa zehn Minuten, denn dann haben wir auch schon das Wehr an der Außenmühle erreicht und müssen umtragen. Oberhalb des Wehrs gibt es einen hölzernen Anlegesteg, unterhalb des Wehrs lassen wir die Boote an einem Strandabschnitt wieder zu Wasser. Von der Einmündung der Wipperau an begleitet uns Verkehrslärm, der von der parallel zum Fluss verlaufenden Bundesstraße 4 ausgeht.

Eine Rutsche verspricht mehr Badespaß, und am anderen Ufer schauen Pferde den Paddlern neugierig hinterher.

Hinter der Brücke, auf der die B 4 über die Ilmenau geführt wird, nimmt der Verkehrslärm ab. Dafür sorgt jetzt das in der Nähe des Uelzener Hafens am Elbe-Seitenkanal gelegene Betonwerk für eine neue Geräuschkulisse. Wir hätten vielleicht unsere Tour lieber am Wochenende machen sollen. Dann wäre uns zumindest der Industrielärm erspart geblieben. Wahrscheinlich hätten wir den Fluss dann aber nicht ganz für uns allein gehabt. Im großen Bogen führt die Ilmenau um das Hafengebiet herum. Wir sehen es nicht, aber die Geräusche begleiten uns noch kilometerweit. Als dann allerdings die Dächer der Häuser von Emmendorf an der Alten Salzstraße auftauchen, ist der Lärm plötzlich wie abgeschaltet, und endlich können wir unsere Paddeltour so richtig genießen, und da taucht auch schon, wie bestellt, am Ufer eine dicke Bisamratte auf. Sie paddelt in der Flachwasserzone, lässt sich von uns gar nicht stören.

Ein schöner Pausenplatz

Bootsanlegestelle in Emmendorf

Am Bootsanleger in Emmendorf machen wir eine kurze Rast, wollen vor allem ein paar Schritte gehen, denn in den engen Kajaks können wir die Beine kaum bewegen, nur mit den Zehen wackeln. Die Weiterfahrt beginnt mit einer kleinen »Wildwasserpassage«, die vom Bootsanleger etwas Respekt einflößend aussieht, sich aber problemlos befahren lässt.Zweimal kreuzt der Elbe-Seitenkanal den Fluss in Form von Brücken. Wir fühlen uns von den massigen Bauwerken hoch über uns geradezu erdrückt, und doch bewundern wir auch die Ingenieurleistung, die darin steckt.Bei Klein Bünstorf sind die Ufer flach und grün und der Blick vom Boot aus reicht weit über die Landschaft. Am rechten Ufer stehen einige Heidschnucken im Schatten einer großen, dicken Weide, und am linken Ufer sonnt sich eine Familie Kanadagänse.

Traumhaus am Wasser

Die Ilmenau in Bad Bevensen. Hinter der Brücke beginnt der Kurpark. Dort endet die Paddeltour.

Jetzt ist es nicht mehr weit bis Bad Bevensen. Bald sehen wir schon die ersten Häuser. Im Kurpark legen wir an, lassen die Luft aus den Schläuchen der Boote, falten diese zusammen und ziehen schließlich den mit 32 Kilogramm beladenen Trolley durch die Fußgängerzone hinter uns her. Schnell noch einen Kaffee und dann ab zum Bahnhof! Nur acht Minuten dauert es mit der Bahn von Bad Bevensen zurück nach Uelzen. Auf dem Wasser waren wir fast vier Stunden unterwegs, und das nicht nur, weil der Zug natürlich viel schneller ist, sondern auch, weil der Fluss nicht so gerade verläuft wie die Bahnlinie, sich stattdessen in wilden Schlangenlinien duch die Landschaft windet.

Aus den Wasserratten
werden wieder Landratten

Die Boote werden  zusammengefaltet und in Taschen auf einem Trolley verstaut, der sich gut im Zug mitnehmen lässt.