Der Herzog und
die schöne Ilse

Wie August von Braunschweig-Lüneburg eine Niete zog und das Glück fand

CHRISTINE KOHNKE-LÖBERT / Text / Fotos / Video 

Den 9. Juli 1625 ward Ilse Schmiedichen, des Amtmanns Johann Schmiedichen zu Ebstorf Tochter, nebst ihren von Herzog August zu Braunschweig und Lüneburg erhaltenen Söhnen und Töchtern, mit von Lüneburg, von dem Kaiser Ferdinand II. in den Adelstand erhoben. Die Söhne hießen Ernst, Georg und Friedrich, die Töchter Catharine Elisabeth, Dorothee Sophie, Anne Marie, Clara Agnes, Ilse Lucie und Margarete Sibylle von Lüneburg. Die Familie gehört zu dem landsässigen Adel und besitzt drei Güter in Wathlingen, Uetze, Masendorf und Essenrode im Lüneburgischen.

So schrieb es Ernst Heinrich Kneschke im Jahre 1855 auf. Der Wappenkundler, Augenarzt und Schriftsteller beschäftigte sich akribisch mit den Adelshäusern Deutschlands und der Lüneburger Heide. Spröde und sachlich klingt seine Information über Ilse Schmiedichen und ihre Kinder – dabei verbirgt sich dahinter eine der bezauberndsten Liebesgeschichten des Welfenhauses.

August I. von Braunschweig-Lüneburg, evangelischer Bischof von Ratzeburg, taucht in den Quellen oft als unverheiratet auf. Dabei lebte er viele Jahre glücklich mit seiner Ilse im Ehestande und hatte zwölf Kinder mit ihr. August wurde im Jahre 1564 als fünftes von fünfzehn Kindern von Wilhelm dem Jüngeren, einem Sohn Ernst des Bekenners, und seiner Gemahlin Dorothea geboren. Sieben Söhne und acht Töchter haben die Eltern Wilhelm und Dorothea – und ein Fürstentum, das schon stark zersplittert ist und durch weitere Teilungen seiner wirtschaftlichen Kraft und seiner politischen Bedeutung beraubt zu werden droht. Wie ist das Dilemma zu lösen?

Wilhelm und seine Gattin Dorothea haben weitere Sorgen: 1577 – nach vielen und offenbar recht glücklichen Ehejahren – bricht bei Wilhelm eine Geisteskrankheit aus, die ihn für die Regierungsgeschäfte weitgehend untauglich macht. Immer wieder muss der Regentschaftsrat in Celle die Regierung übernehmen, Dorothea flieht mit den Kindern vor dem Gewalttätigen zeitweise ins Kloster Medingen. Sie fordert, den Herzog zu seiner eigenen und der Sicherheit der Familie einzuschließen und überwirft sich deshalb mit den führenden Beamten am Celler Hof. Schließlich ordnet Kaiser Rudolf II. strenges Gewahrsam an. Nach einigen Jahren der Besserung tauchen die psychischen Probleme Wilhelms 1587 wieder auf und er wird in seiner Residenz in Celle unter Zimmerarrest gestellt. Als Wilhelm der Jüngere 1592 stirbt, ist es wohl eine Erleichterung für alle.

Aber nun wird das Erb-Problem dringlich. W. Görges schreibt in den um 1880 herausgegebenen Hannoverschen Geschichten und Sagen: »Das kleine Ländchen, welches der Vater hinterlassen hatte, reichte kaum aus, um einen Fürsten standesmäßig zu erhalten, geschweige denn sieben.« Vielleicht hätten sich die Herrschaften einfach ein wenig bescheiden sollen – aber egal, sie finden eine Lösung für das Problem. Im sogenannten Celler Familienvertrag einigen sich die Brüder darauf, das Fürstentum künftig ungeteilt zu lassen, jeweils der Älteste soll regieren. Zunächst übernimmt Ernst die Regierung. Er stirbt 1611, ohne Nachkommen zu hinterlassen. Die verbleibenden sechs Brüdern erneuern den Vertrag über die Unteilbarkeit des Fürstentums und verabreden zudem, dass alle Brüder nacheinander regieren sollen. Außerdem vereinbaren sie, dass sich nur einer von ihnen standesgemäß verheiraten darf. Das Los soll entscheiden. Der – wie man es nimmt – glückliche Gewinner ist Georg, der zweitjüngste Bruder. Er heiratet 1617 Anna Eleonore von Hessen-Darmstadt.

Bruder August dagegen zieht eine Niete. Er wird 1610 Bischof von Ratzeburg und ist den angenehmen Seiten des Lebens nicht abgeneigt. Regelmäßig besucht er Ebstorf, den kleinen Heideort, den Vater Wilhelm besonders gefördert und 1559 sogar zur Nebenresidenz gemacht hat. Hier lernt August die schöne Ilse, Tochter des Amtmanns Schmiedichen, kennen. Die beiden verlieben sich – und heiraten.

Aber auch wieder nicht so richtig. Adlige heirateten in solchen Fällen gerne zur linken Hand, wie man so schön sagt. Dieserart Ehe war in Adelskreisen eine höchst nützliche Angelegenheit, um etwa eine Geliebte zu legitimieren oder nach dem Tode der ersten Frau eine zweite Ehe nach Herzensneigung einzugehen. Die Nachkommen traten nur in die Rechte des standesniedrigeren Ehepartners ein, also meist in die der Mutter. So ging es auch den Kindern von August und Ilse, wobei der gute August sich fürsorglich um seine Familie kümmerte. Kaiser Ferdinand, der mitten im Dreißigjährigen Krieg möglicherweise anderes zu tun hatte, erhob die schöne Ilse in den erblichen Reichsadelsstand und versah sie mit dem klangvollen Namen von Lüneburg. Das Paar lebte zunächst in Celle. Hier, in der Rundestraße 3, hatte August 1609 ein Haus gekauft, zehn Jahre später erwarb er das Nachbarhaus dazu und baute beide Gebäude zu einem Komplex um. Ihr Sohn, Junker Friedrich, verkaufte das Anwesen später.

1624 kaufte Herzog August den Junkernhof in Uetze, ein altes Rittergut, das bereits in mittelalterlicher Zeit eine Furt an der Fuhse bewachte. Herzog August ließ das Gut zunächst von einem Pächter bewirtschaften, dem Uetzer Amtsvogt Christoph Utermarck. Das Gut blieb bis 1948 im Besitz des Hauses Lüneburg, im Ort befindet sich noch immer das Erbbegräbnis der Nachkommen der Ilse Schmiedichen.

Das Wappen über dem Eingang des Herrenhauses in Uetze.
Das Treppenhaus des später als Gymnasium und heute als Wohnhaus genutzten Gebäudes.

Im Alter von 65 Jahren kam Herzog August doch tatsächlich noch selbst an die Regierung in Celle. Nun verfügte er endlich über genügend Geld, um das Gut Uetze erneuern zu lassen, damit begann er im Jahre 1634 und aus dieser Zeit soll auch das heutige Herrenhaus stammen. Im Jahre 1642 übernahm Augusts und Ilses Sohn Friedrich von Lüneburg das Gut. Er war als einziger der vom Kaiser geadelten Söhne noch am Leben, alle seine Brüder waren einer Pestepidemie zum Opfer gefallen.

Seit 1634 war auch Gut Wathlingen bei Celle im Familienbesitz der Familie von Lüneburg. Das heute der Familie von Reden gehörige Gut steht auf den Resten einer mittelalterlichen Burg und ist von einer bezaubernden Gartenanlage umgeben. Seit 1792 gehörte der Familie von Lüneburg auch das Gut Masendorf im Landkreis Uelzen.

Das Herrenhaus des Gutshofes Wathlingen steht auf den Resten einer mittelalterlichen Burg.
1787 wurde im Park des Gutshofes dieser Pavillon errichtet.

Am Eingang zur Gruft der Familie zu Lüneburg in der Uetzer Kirche prangt das Wappen von Agnesa Juliana von Haxthausen.

Wappen über dem Eingang der Familiengruft in Uetze.

Die Gruft war mehr als einhundert Jahre verschollen und wurde im Jahr 2011 im Zuge von Bauarbeiten wiederentdeckt. Hier liegen der Obrist-Lieutnant Moritz Hermann von Haxthausen und seine Gemahlin Agnesa Juliana geb. von Lüneburg. Auch die Gebeine der Stammmutter des Geschlechtes von Lüneburg, der 1582 geborenen und 1650 verstorbenen Ilse Schmiedichen, sind hier bestattet. Ihr Ehemann, Herzog August, starb bereits 1636 und ist in der Fürstengruft der Stadtkirche St. Marien in Celle begraben. So trennen die Standesunterschiede das Paar nach dem Tod doch wieder.