SOCKEN & SAUERTEIG

Bei Sigrun und Jens Hagedorn gibt es Strick- und Häkelwolle, frisches Brot und vieles mehr

CHRISTINE KOHNKE-LÖBERT / Text / Fotos / Video

Der Umgang mit Worten ist ja unser täglich Autoren-Brot, aber trotzdem ist es immer wieder spannend, neue kennenzulernen. So wie ich neulich: Zugsocking. Wie bitte? Sigrun Hagedorn lacht: »Das ist doch ganz einfach – Socken stricken im Zug.« Bei einer Tasse Kaffee erzählt sie mir von einer Fahrt mit Freundinnen zur Messe nach Osnabrück. Unterwegs haben sie die Zeit genutzt für das, was sie gerne tun: Stricken – Socken und anderes. Die Zutaten für ihr Hobby finden die Frauen vom Stricktreff Hanstedt dort, wo Sigrun Hagedorn wohnt, in ihrem Haus bei Ebstorf in der Südheide. Hier gibt es seit ein paar Jahren einen kleinen Laden, in dem nicht nur die Wolle besonders ist. Neben Schmuck und Karten für besondere Anlässe, fertig Gestricktem oder Gehäkeltem, Bunzlauer Braunzeug und handgemachten Körben gibt es hier auch die passenden Ratschläge, sollte man einmal den Faden verloren haben. »Was wir anbieten, muss zu uns passen«, bestätigt Sigrun Hagedorns Mann Jens. Fair Trade, ökologisch hergestellt, regionale Kreisläufe – das ist den Beiden wichtig: »Wir bieten nur an, was wir selber benutzen würden. Nur so können wir in diesem kleinem Ort durchhalten.«

Ob auch diese Socken beim »Zugsocking« entstanden sind?

Dass es einmal so kommen würde, war allerdings keine geradlinige Geschichte, sondern immer auch von Zufällen und guten Ideen abhängig. Sigrun Hagedorn wurde 1954 in Hankensbüttel geboren und wuchs hier auf. Mit 16 Jahren zog es das junge Mädchen in die Großstadt. »Ich wollte meinen eigenen Weg gehen«, sagt sie. Der Wunsch, »etwas mit Fremdsprachen zu machen«, führte sie zunächst ins Fernmeldeamt Hamburg: Vermitteln von Gesprächen mit Stöpseln, später über Tasten – 1978 war fortschrittlich, was wir uns im Handyzeitalter kaum noch vorstellen können. »Da waren fußballfeldgroße Säle voller Wähler«, erinnert sie sich. Acht Jahre blieb sie dort, die Arbeit machte Spaß. »Ich musste mich in vielen Sprachen unterhalten. Es war eine gute Zeit.«

Schon damals liebte Sigrun Hagedorn es, sich bei Handarbeiten zu entspannen, für sie ist es eine Familientradition: »Meine Oma hat immer Socken gestrickt, die mein Opa dann aus einer großen Kiepe heraus verkaufte. So haben sie geholfen, die Familie zu ernähren.« In Hankensbüttel kannte man die Oma als »Strick-Schulze«.

Nach einem Abstecher ins Wendland zieht Sigrun Hagedorn 1982 mit ihrem Mann Jens nach Hanstedt. Drei Kinder kommen zur Welt, die Hagedorns bauen sich ein Haus. Neben ihrer Arbeit im Missionarischen Zentrum bleibt aber immer Zeit für Handarbeiten. Zum Stricken kommen Perlen, Schmuckstücke in indianischer Peyote-Technik und Ketten in Materialmix entstehen. Hin und wieder geht Sigrun Hagedorn damit auf den Markt, aber das ist ihr auf Dauer zu nervenaufreibend. 2003 beginnt sie eine weitere Ausbildung, zur Ernährungsberaterin. Als die Kinder nach und nach aus dem Haus gehen, ist bei Hagedorns auf einmal viel Platz. Zuviel nach ihrem Geschmack, und die Beiden haben eine Idee: »Wir könnten ja unser Haus öffnen.« Das tun sie auch. Mit Kursen zum Thema Ernährung geht es los, »so kamen die ersten Leute zu uns«. Nebenbei verkauft Sigrun Hagedorn Blumensträuße, die sie selbst zusammenstellt. Die Blumen pflückt sie auf Spaziergängen und im eigenen Garten, stellt ganz einfach eine Blumenkiste an die Straße. »Das war auch wieder so eine Idee, von der manche nicht viel hielten. Aber die Sträuße waren der Hit«, freut sie sich. Vom Verkaufserlös der Blumenkiste des ersten Jahres wird der Laden renoviert. »Dann fragten wir uns: Und was machen wir im Winter?« Da sie ihrem Vorsatz, nur Blumen aus Feld, Wald und Garten zu verkaufen, treu bleiben wollte, kam der Verkauf im Winter nicht infrage. Aber warum nicht die eigenen Ketten anbieten? Und Wolle? Am 15. Dezember 2009 wird Eröffnung gefeiert. »Wir hatten einen Kunden pro Tag, manchmal nur zwei bis drei in der Woche. Aber wir hatten Freude daran und das war unsere Motivation«, erinnern sich die Beiden. Nach und nach spricht es sich herum, dass in Hanstedt besondere Sachen zu haben sind. »Wir fanden eine Firma im Sauerland, die komplett in Deutschland produziert und färbt, alles mit Ökozertifikat. Alle Garne sind auch für Babys geeignet.« Sigrun und Jens Hagedorn sind begeistert, das Angebot wird nach und nach erweitert.

Auf der Garnwickelmaschine rotiert Öko-Wolle made in Germany.

Jens Hagedorn pflegt eine weitere Leidenschaft: Er bäckt Brot.Vor zehn Jahren hatte er damit begonnen, zunächst für den Eigenbedarf, ohne Backpulver und Hefe, nur aus Geteidekörnern, Salz, Gewürzen und Natursauerteig. »Daraus habe ich ein Grundbrot entwickelt«, erzählt er. Bis das Rezept stand und das Brot gelang, musste er allerdings eine ganze Weile tüfteln. »Anfangs ging alles schief«, lacht Jens Hagedorn. Kurzerhand kaufte er sich eine eigene Getreidemühle, in der das Korn frisch gemahlen wird. Weizen verarbeitet er wegen des Allergiepotentials nicht, Dinkel und Roggen, Buchweizen und Amaranth sind die Basis seines Brotes. Der Sauerteig kommt aus eigener Herstellung, alles ist vegan und laktosefrei. Der Teig wird über zwei Tage geführt, so dass Phytinsäure, die Mineralien bindet und für den Menschen wertlos macht, weitgehend abgebaut ist. Der Salzgehalt liegt unter einem Prozent. »Wenn man sich erst einmal damit beschäftigt, merkt man, wie spannend Brot sein kann«, fasst er seine jahrelangen Erfahrungen zusammen.

Frisches Brot aus dem Steinbackofen – natürlich, vegan und laktosefrei

Gebacken wurde zunächst im eigenen Backofen, kürzlich konnte ein großer Steinbackofen angeschafft werden. »Immer, wenn ein wenig Geld in der Kasse war, haben wir investiert«, erzählt Jens Hagedorn, der von Zeit zu Zeit auch gerne einmal die Stricknadeln zur Hand nimmt. Wenn der Stricktreff zusammenkommt, ist er allerdings meist verhindert: Er muss backen. Den Damen ist es recht, denn wo kann man sonst beim Stricken herrlich frischen Brotduft genießen?

INFO Wer den Faden verloren hat, kann ihn hier wieder aufnehmen: Der Stricktreff der HandWerkStatt in Hanstedt I findet jeden Freitagnachmittag von 15 bis 18 Uhr statt, und der Wollladen der HandWerkStatt ist dienstags bis sonnabends in der Zeit von 11 bis 13 und 15 bis 18 Uhr geöffnet.