Rummel in der Rübenburg

Die etwas andere Kita auf dem Land

Uta Rosenfeld und Thomas Hengartner haben in Stöcken ihre Idee von einer Kultur- und Kindertagesstätte verwirklicht 

CHRISTINE KOHNKE-LÖBERT / Text / Fotos / Videos

Wer von Alma fröhlich akzeptiert wird, hat schon gewonnen bei Uta Rosenfeld und Thomas Hengartner. Aber eigentlich kann man sich ohnehin nicht vorstellen, dass die liebenswerte schwarze Retriever-Dame irgendjemanden nicht mögen könnte. Am liebsten mag sie die Kinder, die rund um die eindrucksvolle Rübenburg im beschaulichen Stöcken bei Oetzen tollen. Die »Rübenburg« ist eine von Uta Rosenfeld und Thomas Hengartner gegründete Kultur- und Kindertagesstätte in dem nur wenige Höfe umfassenden kleinen Dorf im Landkreis Uelzen, und sie ergänzt das vorhandene Angebot an Kindertagesstätten in besonderer Weise: Von Montag bis Freitag werden hier von 7 bis 17 Uhr Kinder betreut – am Vormittag die Krippenkinder von einem bis drei Jahren und am Nachmittag altersübergreifend die Kindergarten- und Schulkinder, für die auch Hausaufgabenbegleitung angeboten wird. Wenn die »Nachmittagskinder« mit dem Fahrdienst in der Rübenburg ankommen, wartet schon ein frisch gekochtes Mittagessen auf sie. Kommen können Kinder aus dem gesamten Landkreis Uelzen.

 »Gerade ist unser neues Programm fertig geworden«, erzählt Uta Rosenfeld. Das Kursprogramm ist ein weiterer Baustein der Tagesstätte: Altersübergreifend können Kinder an Kursen in den Bereichen Malen, Tanzen, Theater, Musik und Natur teilnehmen. Noch in den Köpfen der Beiden ist ein »Museum mit Selbstbedienungscafé und Shared Workspace«, einem offenen Arbeitsbereich, den die Eltern nutzen können, während ihre Kinder an einem Kurs teilnehmen. »Wie ist die kleine Welt in Stöcken in die große eingebunden?« Uta Rosenfeld und Thomas Hengartner schwebt vor, in Stöcken einen kulturellen Knotenpunkt zu schaffen, der »Erzählanlässe und Themen bietet« und Menschen die Möglichkeit gibt, zusammenzukommen, sich über den Ort Stöcken zu informieren oder auch einfach eine Auszeit zu nehmen.

Für Kleinkindern bietet die "Rübenburg" Krippenplätze an.

Aus der Schweiz in die Südheide

Das Ehepaar Rosenfeld/Hengartner kam vor zweieinhalb aus der Schweiz in die Südheide. Mit ihm fünf Kinder, die Zwillinge Jakob und Jonas, die heute sieben Jahre alt sind, und die vierjährigen Drillinge Kaspar, Linus und Lotte. »Ein bezahlbares Haus für eine Familie mit fünf Kindern zu finden, das ist in der dicht besiedelten Schweiz fast unmöglich«, erzählt Thomas Hengartner, der an der Uni Zürich empirische Kulturwissenschaften unterrichtet. Auch die Betreuungskosten für Kinder seien in der Schweiz exorbitant hoch. Deshalb galt es, einen neuen Lebensmittelpunkt zu finden, der es erlaubt, Beruf und Familie unter »einen Hut« oder besser gesagt unter ein großes Dach zu bringen. Auf der Suche nach einem geeigneten Haus schauten sie sich zunächst in Süddeutschland um. Uta Rosenfeld als gebürtige Hamburgerin hatte aber auch immer Kontakte nach Norddeutschland und in die Lüneburger Heide gehalten. Als die Familie eines Tages zu Bekannten nach Hambrock – und zwar in eine Rübenburg – eingeladen war, waren sie zunächst unsicher, ob sie sich allesamt tatsächlich ihren Gastgebern zumuten könnten. »Wir haben gesagt, wir sind zu siebt wie Pest und Cholera, aber das war unseren Freunden egal«, erinnern sie sich. Das große Anwesen gefiel ihnen gut, und so fassten sie den Entschluss, sich in der Südheide umzusehen. Bei Bauer Hinrichs in Stöcken wurde die Familie schließlich fündig.

Die Entscheidung für die eindrucksvolle große Landvilla fiel nicht nur wegen des großzügigen Gebäudes mit Nebengebäuden und schöner Hofanlage, sondern auch wegen der guten Verkehrsanbindung in die norddeutschen Metropolen. So kann Thomas Hengartner von der Südheide aus weiterhin in Zürich unterrichten. Das Pendlerleben sei eigentlich gar nicht so kompliziert, wenn man es nur gut organisiert, sind sich die Beiden einig – und die Wochenenden gehören der Familie.

Das große Anwesen (»Und was machen wir mit der Scheune? «) machte es auch möglich, eine Tagespflegestelle für Kinder einzurichten. Uta, selbstständige Fachredakteurin, schrieb das Konzept, das zunächst als Zusammenschluss von Tagesmüttern gedacht war. »Aber die Tagespflege mündet für viele in Selbstausbeutung «, sagt sie. So wollte sie nicht arbeiten. Deshalb gründete sie eine gemeinnützige GmbH und beantragte Fördermittel. Das schuf die Voraussetzung, um einen Sozialpädagogen und zwei Erzieherinnen einzustellen. Im Mittelpunkt des Konzeptes stand zunächst ein Angebot aus eigener Erfahrung: eine besonders für Zwillinge und Mehrlingskinder ausgerichtete Betreuung. »Aber dafür gab es im Umkreis nicht so viel Bedarf«, mussten die Beiden feststellen. Heute arbeiten in der Rübenbug zwei Vollzeitkräfte und zwei Vertretungskräfte, zusammen mit den Praktikanten zwischen sechs und acht Personen. »Kindergroßtagespflegestelle « heißt das Ganze auf Beamtendeutsch.

Das Rübenburg-Team mit einigen der Kindern, die in der ländlichen Kita betreut werden. Rechts Uta Rosenfeld und Thomas Hengartner.

Dieser offizielle Name ist den Kindern natürlich ganz egal. Im Kinderhaus betreut Pia Sophie Höbermann die Kleinsten, die auch bei Besuch ganz ungezwungen weiterspielen. »Auf die Stelle habe ich mich über das Internet beworben«, erzählt Pia, die seit zwei Jahren in der Rübenburg arbeitet. Besonders gefallen ihr die kleinen Gruppen, die altersübergreifende Arbeit mit Kindern von einem bis 14 Jahren und die Flexibilität. »Es gibt viele Möglichkeiten, sich einzubringen und Neues auszuprobieren«, sagt sie und knuddelt die kleine Soe, die sich schon auf ihren Papa freut.

Auch für Mutter Sabrina Schlademann ist es Zeit, ihr Töchterchen abzuholen. Die Entscheidung für die Rübenburg sei ihr leicht gefallen, »weil das Gesamtkonzept zu unseren Vorstellungen passt.« 

Sie wollte gerne, dass Töchterchen Flora Elise Kontakt zu anderen Kindern hat. Und so genießt die Kleine drei Mal in der Woche drei Stunden in der Kinderkrippe – eine Freundin hat sie auch schon gefunden.

Das Schaukeln macht nicht nur den Kleinsten Spaß, sondern auch Chantal, die derzeit ein Praktikum in der Kultur- und Kindertagesstätte macht.

Im Jahreslauf lädt das Rübenburg-Team immer wieder zu besonderen Aktionen ein. Jetzt demnächst heißt es »Räbenlichter schnitzen« – eine Tradition, in der sich Schweiz und Südheide treffen. Aus einfachen »Räben«, also Rüben jeder Art, werden Lichter geschnitzt. Diese müssen eigentlich einen ganzen Monat lang »ausgetragen« werden, bis sie trocken und schrumpelig sind. In der Rübenburg geschieht das allerdings an nur einem Tag: dem 17. November. Ab 17 Uhr ist jeder zum Schnitzen willkommen, und mit der Dämmerung setzt sich dann der Räberlichtzug in Richtung der mittelalterlichen Kapelle in Bewegung. Anschließend gibt es Kakao und Kinderpunsch und heiße Waffeln.

Viel spannender als in der Stadt: Auf dem Gelände des ehemaligen Bauernhofes  gibt es immer etwas Interessantes zu entdecken.

Rübenburg und Altenteil 

Unweit der großen Rübenburg steht ein kleines Fachwerkhäuschen auf dem Grundstück – das Altenteilerhäuschen des Hofes. Hier wohnt Bauer Hans-Jürgen Hinrichs. Das heißt, Bauer ist er nun nicht mehr, denn den Hof hat er vor einigen Jahren aufgegeben. Aber wenn er auch im Altenteilerhäuschen wohnt, von betagt kann keine Rede sein. 

Hans-Jürgen Hinrichs hat auch ohne Landwirtschaft genug um die Ohren – in der Dorfgemeinschaft und im Naturschutz und mit dem Grundstück ohnehin. Seine Rübenburg war ihm irgendwann viel zu groß geworden, da hat er sie in Absprache mit den Kindern verkauft. Die Entscheidung für die Kindertagesstätte hat er nicht bereut. »Ich bin froh, dass es so gekommen ist«, sagt er und freut sich über das Kinderlachen, das vom benachbarten Hof herüberschallt. 

Das denkmalgeschützte Haupthaus ist im Jahr 1903 im Jugendstil errichtet worden. In dieser Zeit waren viele Bauern in der Südheide durch den Rübenanbau zu Geld gekommen. Und das steckten sie gerne in repräsentative Wohnhäuser – die Rübenburgen. Das heutige Altenteilerhäuschen wurde 1810 erbaut, es gehörte früher zu einem eigenen Hof. Von den etwa 15 Höfen, die es ehemals in Stöcken gab, sind heute noch fünf übrig geblieben – ein Resultat der Entwicklung der vergangenen Jahre, die hier in der Region mit den Worten »wachsen oder weichen« umschrieben wird. Scheint so, als ob in Stöcken gerade das Wachsen angesagt ist. 

INFO ruebenburg.de