Der Spieler
Ein junger Schwabe verdient sein Geld
mit Computerspielen
Tobias Sieber arbeitet jeden Tag im Homeoffice. Sein Arbeitsplatz: Ein aufgeräumter Schreibtisch im Haus seiner Eltern, im 5000-Seelen-Ort Öthisheim bei Mühlacker. Bildschirm, Tastatur, Maus. Zwei Wasserflaschen und zwei Gläser.
"Sechs bis acht Stunden am Tag" sitze er hier, sagt Tobias Sieber. In der Mittagspause haut er sich zwei Spiegeleier in die Pfanne. Dann geht es weiter.
Das nächste Match steht an.
Tobias Sieber ist Profi-Computerspieler. Er ist 22 Jahre alt. 2012 hat er Abitur gemacht, wenige Monate später bekam er das erste Jobangebot. Schon damals spielte Tobias Sieber auf den Ranglisten des Videospiels "Starcraft" vorne mit. Ein Profi-Team warb um ihn. Er sagte zu.
Seitdem hat Tobias Sieber das Team mehrmals gewechselt. Heute spielt er für das französische Team "Millennium", bekommt dafür ein Monatsgehalt. Wie hoch es ist, will er nicht sagen - aber zusammen mit den Preisgeldern reiche es, um nebenbei für ein Auto zu sparen.
Daddeln und dabei Geld verdienen - das hört sich nach einem einfachen Job an, oder?
Siebers Spiel heißt "Starcraft II". In der imaginären "Starcraft"-Welt bekämpfen sich drei sogenannte Rassen: die Terrans, die Protoss und die Zerg.
Tobias Sieber gehört zum Clan der Protoss. Wer ihm über die Schulter sieht, versteht erst einmal gar nichts. Es blinkt, blitzt, blubbert ohne Pause aus allen Ecken des Bildschirms. Kleine Wesen rasen kreuz und quer über die Oberfläche. Aus dem Nichts entstehen Gebäude.
Wie funktioniert das Ganze? Das erklärt der Profi am besten selbst.
Manchmal verlässt Tobias Sieber sein Homeoffice und fährt zu Turnieren in die USA, nach England oder Polen. Dort heißt es dann "Showtime", so lautet auch Siebers Spielername.
Sein letzter Wettkampf war im März 2016 im polnischen Katowice. 12 000 Menschen kamen laut Veranstalter zu dem Turnier. Sie feuerten keine Fußballstars oder Tennisdiven an, sondern Computerspieler. eSport heißt diese Parallelwelt zu den etablierten Sportarten: elektronischer Sport.
"Starcraft" ist im eSport nur eine von mehreren Disziplinen. Andere heißen "Dota 2", "League of Legends", "Counterstrike" oder "Fifa": Computerspiele mit unterschiedlichen Systemen, Regeln und Fangemeinden.
Der Kampf um die besten Spieler, um Übertragungsrechte und Profit geht im europäischen eSport gerade erst los.
Die Branche
Früher trafen sich Computerfans auf sogenannten LAN-Parties. Dort wurden private Computer vernetzt, um sich mit Maus und Tastatur miteinander messen zu können. Das Internet hat sie überflüssig gemacht.
Über Matchmaking - also Partnervermittlung - kann heute jeder gegen jeden im Netz spielen. Streamingseiten wie Twitch übertragen die Matches - und werden immer beliebter: 2015 schauten weltweit 226 Millionen Menschen anderen übers Netz zu, wie sie Computer spielten. Das fand das Marktforschungsinstitut Newzoo heraus.
Auch Unternehmen haben diesen Markt mittlerweile als Werbeplattform entdeckt. Auf den Turnieren und Webseiten erreichen sie eine junge Zielgruppe, die klassischen Medien, wie etwa dem Fernsehen, den Rücken gekehrt hat. Wie viel Geld in diesem Markt steckt, zeigte sich unter anderem 2014, als der Internet-Händler Amazon die Zuschauer-Plattform Twitch für 970 Millionen
US-Dollar (rund 862 Millionen Euro) kaufte.
Innerhalb der kommenden drei Jahre soll der Umsatz in der eSport-Szene durch Sponsorengelder, Ticketeinnahmen und Merchandising auf über eine Milliarde US-Dollar (rund 886 Millionen Euro) anwachsen, so die Prognose der Marktforscher.
Aber nicht nur Veranstalter und Videospiel-Produzenten verdienen, auch die Spieler erzielen teilweise hohe Preisgelder: 18,4 Millionen US-Dollar (16,3 Millionen Euro) wurden beim "Dota-2"-Turnier "The International" 2015 im amerikanischen Seattle ausgeschüttet. Es gilt als eines der am höchsten dotierten Turniere im eSport. Das Gewinnerteam "Evil Geniuses" nahm 6,6 Millionen US-Dollar mit nach Hause, also rund 5,9 Millionen Euro. Pro Spieler machte das etwa 1,3 Millionen Dollar (1,15 Millionen Euro). Der jüngste Spieler war gerade einmal 16 Jahre alt.
Und wie viel Preisgeld streicht Tobias Sieber bei eSport-Turnieren ein? (Klicken Sie bei den folgenden Fotos auf den weißen Kreis oben links, um zu hören, was Tobias Sieber sagt.)
Siebers größter Konkurrent ist Artur Bloch aus Polen, im eSport bekannt als "Nerchio". Sieber hat seine Gründe, warum er Bloch nicht leiden kann.
Tobias Sieber schwimmt auf der eSport-Welle mit. Bald, glaubt er, wird der Begriff mehr Menschen geläufig sein. "Starcraft" statt Fußball, Sieber statt Schweini? Werden Computerspieler bald zum Stammtisch-Thema?
Die Zukunft
Auf höchstem Niveau spielen viele im eSport nur zwei oder drei Jahre. Ihre Karriere ist oft noch kürzer als bei anderen Profisportlern. Denn im eSport geht es um Feinheiten. Mit Mitte 20 sind die Finger nicht mehr so flink wie mit 15 Jahren.
Tobias Sieber will noch eine Weile im Geschäft bleiben. Und danach? Sportpsychologie studieren vielleicht. Oder BWL.
Als Profi-Computerspieler lernt Sieber viel, was ihm auch an der Uni nützen könnte. Der eSport habe ihn verändert, sagt er. (Klicken Sie auf den weißen Punkt oben links im Bild, um zu hören, was Tobias Sieber sagt).
Und was denken die Eltern über die Zocker-Karriere ihres Sohnes, der täglich im Homeoffice in seinem Jugendzimmer schuftet? Das letzte Wort hat die Mama: