«Kinder waren unsere Lichtblicke»

Die Schweizer Pflegefachfrau Silvia Béguelin war im Frühling 2018 für das SRK in Bangladesch im Einsatz. Ihr Bericht aus dem Feldspital.

Hunderttausende Menschen sind seit dem 25. August 2017 vor der Gewalt im Rakhine-Staat, Myanmar nach Bangladesch geflohen. Es ist eine der grössten und komplexesten humanitären Krisen der Region seit Jahrzehnten.

Zusammen mit verschiedenen Partnern, allen voran dem Roten Halbmond Bangladeschs, unterstützt das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) die Nothilfe im Flüchtlingslager in Cox's Bazar. Die Not der Menschen bleibt immens. Um sie längerfristig zu unterstützen verbessert das SRK mit Unterstützung der Glückskette die Hygiene in den Camps. Es baut Zentren auf, wo vor allem Frauen und Kinder Schutz, medizinische Hilfe und Beratung finden (Hier mehr zum Thema).

Seit Oktober 2017 sendet das SRK Spezialisten und Spezialistinnen aus dem Nothilfe-Pool nach Bangladesch. Eine davon ist die Schweizer Pflegefachfrau Silvia Béguelin, die im Frühling 2018 im Rotkreuz-Feldspital Einsatz war. Dort ergänzte sie mit weiteren Delegierten des Nothilfepools die internationalen Rotkreuz-Teams.

Im Folgenden der Bericht aus ihrem Alltag in Cox's Bazar.

Einstiegsbild: SRK, Silvia Béguelin

«Ich war als Emergency Nurse im Feldspital Cox's Bazar des Finnischen Roten Kreuz. Im Feldspital waren wir mit vielen Todesfällen konfrontiert, vor allem von Neugeborenen und Kleinkindern. Positiv beeindruckt haben mich die lokalen Ärzte und Pflegefachfrauen, die einen sehr guten Job gemacht haben. Wir hatten top ausgebildete junge Pflegefachfrauen mit Bachelor-Ausbildung, die sich sehr bewährt haben.

Das Feldspital ist vom Lager durch eine Strasse getrennt. Ich habe das Lager besuchen können. Die Lebensbedingungen sind unvorstellbar, fast eine Million Menschen auf engstem Raum. Nachts ist es stockdunkel, die Wege sind gefährlich. Es ist undenkbar, dass eine Frau nachts alleine eine Latrine aufsucht.

Als schwierig empfand ich die Gewalt und die Geschlechterverhältnisse. Männer entscheiden alles, Frauen haben nichts zu sagen. Wir haben extreme Fälle von häuslicher Gewalt gesehen. Bei Auseinandersetzungen im Lager kommt es zu schweren Verletzungen. Die Gewalt von Männern gegen Frauen hat mich sehr beschäftigt.»

«Kinder haben wenig Perspektiven im Lager. Im Spital hatten wir positive Erlebnisse mit Kindern, das waren immer Lichtblicke. Das Wasser im Lager ist nicht sauber, deshalb haben wir Mütter rigoros zum Stillen angehalten. Milchpulver ist keine Option.»

«Bei Monsunregen werden die Bedingungen im Lager sicher unerträglich.»
Bild: SRK

«Die Arbeitsbedingungen im Feldspital waren okay, auch das meiste Material. Ich hatte Kontakt mit Kolleginnen, die vor mir im Einsatz waren. Ich habe dann selber noch fehlendes medizinisches Material beschafft - wie Magensonden für Neugeborene, Glukosegeräte - und mitgebracht. Sehr nützlich war auch Unterwäsche für Wöchnerinnen und Babykleidung für Neugeborene. Die Leute kommen mit nichts und die Kleinsten müssen vor Wärmeverlust geschützt werden.»

«Die kommende Regenzeit bereitet mir grosse Sorgen, es droht eine Katastrophe. Bei Monsunregen werden die Bedingungen im Lager sicher unerträglich. Es droht Malaria und ich fürchte, dass man auf eine Choleraepidemie schlecht vorbereitet ist. Es braucht ein separates Cholera Feldspital, um die Patienten zu isolieren, sonst wird die Situation unüberschaubar und gefährlich.»