Sabine Hediger in Bangladesch

Die SRK-Gesundheitsdelegierte 
erzählt von ihrem Einsatz

Im Oktober 2017 war Sabine Hediger, Pflegefachfrau des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK), im Einsatz in Bangladesch. Mehr als 600'000 Menschen sind seit August 2017 aus Myanmar ins benachbarte Bangladesch geflüchtet. Sabine Hediger war Teil des internationalen Rotkreuz-Teams, welches ein 60-Betten-Feldspital betreibt. Sie erlebte vom Aufbau des Spitals bis zu lebensrettenden Notfall-Operationen alles mit. Hier teilt sie ihre vielfältigen Eindrücke und unfassbaren Geschichten.

Einstiegsbild: IFRC, Michael Drost-Hansen

"Es ist spannend, 
zum ersten Mal 
von Anfang an 
dabei zu sein."
Foto: SRK 

Für Sabine Hediger war es das erste Mal, dass sie schon ganz zu Beginn einer Krise an den Einsatzort gereist ist. In dieser Anfangszeit muss das Feldspital, welches mit 17 Lastwagen herantransportiert wurde, erst noch aufgebaut werden - ein grosses Unterfangen:

"Weil es immer wieder zu starkem Platzregen kam, konnten wir heute nur fünf Trucks abladen. Während den Regengüssen steht die Welt still und alle warten, bis weitergearbeitet werden kann. Am nächsten Tag schafften wir weitere 10 Trucks. Alle packen an, egal ob Daily worker, Arzt oder Pflegepersonal. Zusammen schaffen wir unglaublich viel."

Foto: SRK

"Um medizinische Hilfe zu leisten, machen wir uns zu Fuss in entlegene Teile des Camps auf. Auf dem Rücken tragen wir schwere Rucksäcke voller Medikamente und Material für die Wundversorgung. Wir wandern auf schmalem Fussweg über steile Hügel, bis wir im Trakt M ankommen. Die Menschen sind dort nach 11-tägigem Fussmarsch gerade erst angekommen. Es sind sehr viele Kinder dabei. Einen Sonnenschutz oder Unterstand gibt es nicht und die nächste Wasserstelle ist 1/2 km entfernt. Alle sind erschöpft und sitzen ruhig auf dem harten Boden.

Als die Mütter realisieren, dass wir erste Hilfe anbieten, kommen sie mit ihren Kindern zu uns. Viele haben Fieber und Durchfall oder leiden unter Austrocknung. Da die Menschen längere Zeit unter schwierigen hygienischen Bedingungen leben, leiden auch einige unter Hautkrankheiten. Sie alle sind sehr froh um unsere Hilfe."

Foto: SRK

"Wir alle warten gespannt auf die Eröffnung des Spitals. Welche Patienten werden wir haben? Werden wir die Menge bewältigen können? Werden wir viel operieren?"

"Als das Feldspital endlich steht, ist die Freude bei allen riesig. Unsere erste Operation ist an einem 8 Monate alten Jungen. Er hat einen Pneumothorax und atmet sehr schlecht. Nach der Operation darf ich ihn vier Stunden lang betreuen. Danach kommt er auf die Kinderstation. Er ist sehr tapfer, braucht aber noch einige Pflege bevor er wieder ganz gesund wird."

Foto: SRK

"Ein sechs Monate alter Junge kommt in unser Feldspital. Wir vermuten, dass er ein Steinchen in der Harnröhre hat. Da er sehr lebhaft ist und wir ihn fast nicht still halten können, macht unsere Röntgenexpertin ein etwas grösseres Bild. Neben dem Steinchen kommt auch ein Oberschenkelbruch ans Licht! Vor ein paar Tagen floh die Mutter mit dem Jungen auf dem Arm vor Gewehrschüssen. Während sie davonrannte, stolperte sie und fiel auf den Jungen. Dabei muss die Verletzung passiert sein. Nun muss der Oberschenkel gestreckt werden. Dazu befestigen wir eine Metallstange an seinem Bein und benutzen Infusionslösung als Gewicht. Zum Glück ist er ein tapferes kleines Kerlchen, denn er muss drei Wochen lang so liegen bleiben."

Foto: IFRC, Angela Hill

"Ein 28 jähriger Familienvater war vor 10 Tagen in einen Verkehrsunfall mit einem TucTuc verwickelt. Dabei trug er sich mehrere Verletzungen zu: Am Unterschenkel hat er eine sehr grosse offene Fleischwunde und der Oberschenkel ist mehrfach gebrochen. Er hat sich zudem eine schwere Infektion zugezogen. Die Wundfläche ist am Absterben und er hat hohes Fieber. Er ist sofort bereit sein Bein amputieren zu lassen, sonst würde er sterben. Es ist meine erste Amputation und ich darf im OP assistieren. Es ist schon tragisch wenn ein Bein entfernt werden muss aber auch wieder ein Glück, dass er es bei uns machen lassen kann. Selbstverständlich bleibe ich auch in dieser Nacht im Spital um „meinen" Patienten gut zu betreuen. Er ist sehr tapfer und dankbar und trägt sein Schicksal mit Fassung. Ich bewundere ihn."

Foto: IFRC, Angela Hill

"Auch eine schwangere Frau, die stark blutet, kommt zu uns. Um das Baby zu retten müssen wir einen Notkaiserschnitt machen. Bedingt durch die Narkosemedikamente kommt das Baby ganz schlaff zur Welt. Ich darf es in Empfang nehmen und muss es währen 20 Minuten beatmen, bis es selber anfängt zu atmen. Es ist ein sehr spezieller Moment. Seit wenigen Tagen haben wir eine Blutbank. Dank dieser können wir auch die Mutter retten, denn sie braucht zwei Blutkonserven! Dank unserem Spital haben beide überlebt."

Foto: SRK

Auf die Frage, ob sie wieder so einen Einsatz leisten würde, antwortet Sabine Hediger ohne auch nur einen Augenblick zu zögern:

"Ja, sicher!"

Wir vom Schweizerischen Roten Kreuz sind froh, solch mutige und engagierte Menschen in unseren Teams zu haben und bedanken uns herzlich bei Sabine Hediger für ihren Einsatz.