Zocken als Vermögensstrategie? 

Weshalb der Handel mit Binären Optionen so gefährlich ist

87 Prozent Rendite in 60 Sekunden – das klingt in Zeiten der Niedrigzinsen mehr als verlockend. Traut man aktuellen TV-Spots, soll jedermann solche Gewinne ganz bequem vom eigenen Smartphone aus einfahren können. Tatsächlich verstecken sich dahinter jedoch keine schlauen Wertanlagen, sondern hochspekulative Geschäfte, die schnell zum Totalverlust führen können. 

Lächelnd hält der sympathische, junge Mann sein Smartphone ins Bild: „240 Euro gewonnen!", sagt er, bevor die Kamera sein Handy vergrößert. Die 240 leuchtet grün auf. Fernsehwerbungen wie die von BDSwiss, einem Online-Broker aus der Schweiz, versprechen durch den Handel mit Binären Optionen das große Geld in kurzer Zeit. Doch ist es tatsächlich so einfach? Bei Binären Optionen sollen Prognosen auf fallende oder steigende Kurse von Aktien, Währungen oder Indizes getroffen werden. Liegt der Käufer mit seiner Vorhersage richtig, gewinnt er eine relativ hohe Rendite. Liegt er daneben, ist sein eingesetztes Kapital in den meisten Fällen verloren.


Das Fachwissen fehlt

Martin Seelemeyer, Direktor Private Banking bei der Sparkasse Vest, hält davon gar nichts: „Hier wird schnell der falsche Eindruck erweckt, dass es nur Gewinner gibt. Man muss das aber schlicht und ergreifend als Wette bezeichnen. Sie ist hochspekulativ, hochriskant und eigentlich für Menschen ohne Ahnung überhaupt nicht geeignet.“ Ähnlich bewerten Verbraucherschützer diese Form der „Anlage“: „Verbraucher haben für solche Produkte oft weder das notwendige Fachwissen, noch können sie sich die Totalverluste leisten, wenn der zugrunde liegende Basiswert in die falsche Richtung geht“, heißt es auf Anfrage von Markus Feck, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Verbraucherzentrale NRW.



Dass es sich um hochriskante Spekulationen handelt, wird in den Anzeigen der Online-Broker höchstens nebenbei erwähnt. Diese Werbeform ist vielleicht bedenklich, aber keinesfalls verboten: „Für Banken gelten Aufklärungspflichten und Risikohinweise selbst bei einfachsten Geldanlagen. Der Markt für binäre Optionen ist noch lange nicht so reguliert. Online-Broker sind zwar alle bei der Bundesfinanzaufsicht registriert, aber deren Geschäftsmodell entspricht nicht dem Modell einer Bank. Daher kann hier so offensiv geworben werden“, erklärt Martin Seelemeyer.

"Risiko und emotionalen Druck minimieren"

Erkundigt man sich beim Broker direkt nach dem Risikopotenzial, fällt die Antwort schon ehrlicher aus: „Der Handel ist sehr riskant. Anleger können ihr gesamtes Kapital verlieren. Ihr Ziel sollte es sein, Risiko und emotionalen Druck zu minimieren, um eine funktionierende Strategie zu finden“, schreibt uns IQ Option, ein Broker aus Zypern mit – laut eigener Aussage – rund 11 Millionen registrierten Nutzern, über Facebook.


Doch gibt es überhaupt eine funktionierende Strategie? Etliche Online-Broker bieten tatsächlich Web-Schulungen und Video-Lehrgänge für ihre Nutzer an. Der Finanzexperte ist jedoch skeptisch: „Es gibt Trendlinien aus denen manch einer denkt, zukünftige Verläufe ablesen zu können. Aber wenn das so einfach wäre, dann würde jeder am PC sitzen und ganz einfach nach diesen Modellen handeln“, erklärt Martin Seelemeyer und gibt noch ein weiteres Beispiel: „Ich habe auch schon von Taktiken gehört, nach denen man seine Einsätze immer wieder verdoppeln soll. Das ist für mich nichts anderes als Roulette.“

Strategen auf Provisionsbasis

Auch scheinbar gutmütige YouTuber laden immer neue Videos hoch, in denen sie ihre "unschlagbaren" Strategien beschreiben. Doch hier lohnt sich ein Blick auf die Beschreibungen und den genauen Inhalt der Videos. Denn nebenbei erwähnen die Filmemacher oft bestimmte Online-Broker und preisen diese hoch an - es winken schließlich fette Vermittlungs-Provisionen für Neukunden. Ob diese Videos also allesamt unabhängig produziert wurden?


Online-Broker, die Binäre Optionen anbieten, sitzen zudem größtenteils in Zypern und der Schweiz. Hier herrschen nicht nur undurchsichtige rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen, für Martin Seelemeyer ergibt sich noch ein weiteres Problem: „Wird so ein Broker insolvent, muss ein Nutzer seine Ansrpüche im jeweiligen Land geltend machen." Das kann sehr schnell passieren. Seelemeyer gibt ein Beispiel: „Als der Kurs des Schweizer Franken vom Euro entkoppelt wurde, sind in der Schweiz plötzlich eine Handvoll Broker in die Insolvenz gerannt.“

Wie fährt ein Broker überhaupt Gewinne ein?

Darüber hinaus müsse man sich als Nutzer immer fragen, wie ein Online-Broker überhaupt Gewinne einfährt. Anders als bei einer Bank, die für einen Kunden eine Aktie kauft und dafür eine Provision erhält, leben Anbieter wie BDSwiss und IQOption nämlich nicht von Vermittlungen, sondern von falschen Prognosen ihrer Nutzer: „Bei Binären Optionen gibt es keinen Handel. Sie gehen eine Wette gegen den Broker ein. Wenn alle Wetten gewonnen würden, würde es keine Broker geben“, sagt Seelemeyer.

Dabei herrscht – selbst wenn man mit mehr als 50 Prozent seiner Prognosen richtig liegt – ein ungleiches Chancenverhältnis, da der Gewinn immer niedriger als der Verlust ausfällt. So bleibt für Martin Seelemeyer nur eine Alternative zu Binären Optionen: „Ich kann auch genauso gut nach Hohensyburg ins Casino fahren.“

Eine Multimedia-Reportage von Stephan Rathgeber